Ein Wort – und noch eins

`Ein Wort gibt das andere´, sagt man und meint damit, dass sich ein Streit gern mal hochschaukelt. Wenn keiner der Beteiligten aktiv das weiße Tuch schwingt, nehmen die ausgetauschten verbalen Unfreundlichkeiten zu an Aggression und Lautstärke.

`Irgendwann gab ein Wort das andere´, schreibe ich meinem Schwiegervater und beziehe mich auf das aktuelle ZEIT-Rätsel, dessen Lösung ich ihm wie jede Woche zuschicke. Je mehr der gesuchten Begriffe ich herausfand, desto leichter erschlossen sich jene, die mir noch fehlten.

Genaugenommen passt die Redewendung nicht ganz – und trifft trotzdem wunderbar, was ich sagen will. Ich schätze, mein Schwiegervater hat genug Training im `Um-die-Ecke-Denken´ und wird mir zustimmen. 

Im Gespräch

Direkt nach der Arbeit bin ich mit einer Freundin verabredet. Mein Kopf ist noch voll vom Tag; es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Deshalb schweife ich gedanklich immer wieder ab und bearbeite weiter, was mich im Büro beschäftigt hat. Was meine Freundin sagt, erreicht mich nur wie durch einen Nebel. Meine Antworten sind halbherzig und oberflächlich. Ich ertappe mich dabei, dass ich vermittle, interessiert zuzuhören – und es aber nicht wirklich bin. Immer wieder muss ich mich `zurückholen´ in das Hier und Jetzt. Es dauert eine kleine Weile, bis ich nicht nur körperlich, sondern auch mental da bin: mit meiner Freundin im Gespräch.

Mein Ding

Menschen spielen leidenschaftlich Fußball oder Klavier, verschlingen Bücher jeder Art, lieben das Kochen, basteln, stricken, fotografieren oder reiten. Die Möglichkeiten, einer Sache begeistert nachzugehen, sind Legion.

Ich mache einiges gern, vielleicht sogar sehr gern: laufen gehen oder wandern, lesen, im Wohnzimmer tanzen und dergleichen. All das geht allein, das ist gut. Nur für eine meiner Leidenschaften brauche ich ein Gegenüber – fürs Kommunizieren, am liebsten schriftlich. Es funktioniert nur, wenn andere sich darauf einlassen. Dadurch kann ich es nur begrenzt praktizieren, das ist schade. Denn es ist einfach mein Ding.

Diskussionskultur: geht gar nicht!

Die Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern schillert in vielen Schattierungen von grau. Aber nicht selten erlebe ich Gespräche über Politik, in denen völlig klar ist, welche Meinung die einzig wahre ist – und alle anderen Positionen `gehen ja wohl gar nicht´. Ohne mich auf der einen oder anderen Seite des politischen Spektrums positionieren zu wollen, finde ich das irritierend. Helmut Schmidt soll gesagt haben: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“ Nur, wie geht das, Streiten?

Nehmen wir mal an, ein paar Kinder sitzen im Sandkasten und streiten sich, wie gespielt wird. Selten funktioniert es von allein, öfter hagelt es böse Blicke, Sandduschen oder gar Schläge. Keine normaldenkende Mutter würde in einem solchen Fall tatenlos danebenstehen, geschweige denn die anderen Kinder von der Sandkastenkante schubsen. Stattdessen helfen Mütter ihren Kindern, KOMPROMISSE auszuhandeln. „So geht das aber nicht“, heißt es dann, „ihr könnt euch sicher einigen.“ Weil nur so das Zusammenspielen funktioniert.

Die erste Regel für `gutes Streiten´ ist sicherlich, einander zuzuhören – und anzuerkennen, dass der andere nicht automatisch komplett bescheuert ist, nur weil er eine andere Meinung hat. Toleranz nennt man das: ein Geltenlassen anderer Überzeugungen. In der Praxis des Diskutierens scheint schon das häufig eine zu hohe Hürde. Viel einfacher ist es, bestimmte Ansichten einfach unter `geht gar nicht´ abzulegen und die eigene Meinung noch ein bisschen lauter rauszuschreien. Nur bringt uns das leider überhaupt nicht weiter in unserem demokratischen Miteinander. Im Gegenteil entsteht eine Geht-gar-nicht-Diskussionskultur, über die sich meiner Meinung nach nur eins sagen lässt: geht gar nicht!

Bleib? Nö!

Hundebesitzer sind ebenso bei Wind und Wetter draußen wie Eltern kleiner Kinder oder Läufer. Die meisten sind freundlich – ob sie ihren Hund nun im Griff haben oder nicht. Manche reden nur mit ihrem Hund, nicht aber mit dem Menschen, dem der Hund gerade hinterherrennt. Damit kann ich inzwischen leben, sofern das Tier aufgrund des Geschimpfes irgendwann von mir ablässt.

Ein Hundebesitzer, dem ich – glücklicherweise – sehr selten begegne, redet jedoch überhaupt nicht: auch nicht mit seinem Hund. Stattdessen bleibt er, also der Hundebesitzer, stehen, wenn er mich sieht. Ohne Blickkontakt stellt er sich vor seinen vierbeinigen Liebling. Verständlicherweise ist dieser umso neugieriger und starrt mir gespannt entgegen. Wenn ich ehrlich bin, macht das keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Entsprechend nervös gehe (oder jogge) ich dann an beiden vorbei – zurecht: In einer fließenden Bewegung drängelt sich der Hund hinter seinem Herrchen vorbei und springt mir vor die Füße, soweit es die dann plötzlich straff gespannte Leine zulässt. Und noch immer: kein einziges Wort.

Der Mensch könnte wissen, dass ein zufällig vorbeilaufender Spaziergänger mit seinem Hund weder um die Wette rennen noch spielen möchte. Aber der Hund? Der weiß das nicht, dem muss man das sagen, meinetwegen mit einem: „Bleib!“ oder: „Hiergeblieben!“ Irgendetwas, es ist mir egal. Aber ganz ohne Kommunikation macht der Hund eben, was ER will.

Wie nett ausbaldowert!

In einem Artikel in der Zeitung wird der Sprecher irgendeiner Staatsanwaltschaft zitiert – indirekt: Die drei Terroristen hätten `die Gegend ausbaldowert´, steht da. Ausbaldowert, ich muss lächeln: Wie lange habe ich dieses Wort nicht mehr gehört, geschweige denn gelesen!

Besagter Sprecher ist wohl nicht mehr der Jüngste, denke ich, und er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Juristensprech hört sich anders an – Zeitungsdeutsch auch. Welcher Journalist das wohl ausbaldowert hat, diese Aussage so ungeglättet zu übernehmen … 

Nicht-persönlich, aber herzerwärmend

Ich komme aus dem Büro nach Hause und niemand ist da. Ich freue mich immer, wenn jemand mich begrüßt, habe aber auch nichts dagegen, hier allein zu sein. Die Post war schon da: Werbung und Rechnungen liegen auf der Treppe. Darunter finde ich zwei `echte´ Briefe an mich – einer von meiner Freundin aus Australien, einer von meiner Nichte. Ich mache mir einen Tee, setze mich aufs Sofa und freue mich über das, was die beiden Frauen mir erzählen. Ein herzerwärmenderes nicht-persönliches Willkommen kann ich mir fast nicht vorstellen.

Schwere Sprache(n)?

„Es ist gut zu wissen, dass ihr okay damit seid …“, schreibt eine meiner Töchter und ich verziehe ein wenig das Gesicht. Sie lebt gerade in einem englisch-sprachigen Umfeld, das erklärt einiges. Dort ist es normal, `to be okay´ zu sagen und zu meinen, dass man etwas in Ordnung findet.

Zu derselben Kategorie gehört, wenn ich davon spräche, dies oder das sei `fein für mich´. Es ist zwar die wortwörtliche Übersetzung von `it is/works fine for me´; idiomatisch korrekt wäre aber, dass etwas gut läuft oder gut ist.

Ebenso löst die Aussage, etwas solle `in Existenz kommen´, bei mir verständnisloses Kopfschütteln aus. Denn ich verstehe zwar, was gemeint ist, staune selbst aber lieber darüber, wenn etwas zustande kommt.

Ich liebe die englische Sprache sehr – ebenso wie meine deutsche Muttersprache. Jede hat ihren eigenen Reiz, samt feststehender Redewendungen und einem sich ständig erweiternden Wortschatz. Es ergibt – nicht macht(!) – für mich keinen Sinn, zwei Sprachen unbedarft miteinander zu vermischen: Sie verlieren dadurch ihre Einzigartigkeit.

Wer lesen kann … reicht manchmal nicht!

„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil“, gab die erste Grundschullehrerin meines Sohnes diesem manchmal mit auf den Weg. Ihr Kommentar richtete sich an mich, wenn ich einen der vielen Elternbriefe nicht gründlich gelesen und dadurch irgendein Extra versäumt hatte. Ich kann wohl lesen, dachte ich jedes Mal und fühlte mich sowohl missverstanden als auch unangemessen belehrt: Die vielfältigen Drumherum-Veranstaltungen in Schule waren noch nie meine erste Priorität. Dennoch ist der Satz mir hängengeblieben – mit Beigeschmack.

Gestern landete ein Paket wieder bei mir, das ich vor etwa vier Wochen an meine Tochter in Sambia losgeschickt hatte. Gefahrgut ist außen angekreuzt; innen finde ich einen Zettel. Leider hätte man in diesem Paket `Inhalte festgestellt, die von der Beförderung im internationalen Postverkehr ausgeschlossen sind`. Auf einem weiteren Zettel steht, was alles dazu gehört; unter anderem Parfüm, ein entflammbarer Kosmetikartikel. Wer lesen kann, schießt es mir durch den Kopf, oder besser: Wer AHNEN kann, dass man irgendwo etwas Wichtiges lesen kann, ist klar im Vorteil.

Für das nächste Mal weiß ich (hoffentlich) Bescheid – es sei denn, es existiert noch eine dritte Schwierigkeitsstufe. Ich bin gespannt.

Vorsicht!

„Wer unvorsichtig herausfährt mit Worten, sticht wie ein Schwert; aber die Zunge der Weisen bringt Heilung.“
Sprüche 12, 18

„Manchmal frage ich mich“, sagt eine Frau zur anderen, „warum dein Mann nicht schon längst in der Klapse ist.“ Der Kommentar kommt spontan und ungefiltert; er ist spaßig gemeint und wird auch so verstanden – und doch: Meiner Meinung nach geht er ein kleines bisschen zu weit.

Hinterher denke ich, dass da irgendwie ein ungeschriebenes Gespür dafür existiert, was man sich an den Kopf wirft und was nicht. Natürlich variiert das, was wir einen guten Umgang miteinander nennen, und hängt ab von vielen Faktoren: Sind wir allein oder in Gesellschaft, haben wir eine Geschichte miteinander, in welcher Beziehung stehen wir zueinander … Dennoch gibt es Formulierungen, die mir niemals über die Lippen kämen – oder hinterher sehr peinlich wären und mindestens einer Entschuldigung bedürften.

In dem Fall war ich nicht beteiligt, sondern nur Ohren-Zeugin. Es könnte mir total egal sein, was die eine zu der anderen sagt. Wenn ich aber ehrlich bin, bleibt doch etwas hängen: Die eine vergreift sich offenbar manchmal im Ton, die andere kann als anstrengend empfunden werden. Vielleicht werde ich den Satz wieder vergessen. Wahrscheinlicher ist, dass er, wie unbewusst und geringfügig auch immer, mein Bild der beiden beeinflusst.

Herr, hilf mir, meine Zunge im Zaum zu halten, denke ich, sie ist ein törichtes Ding.

„Siehe, auch die Schiffe, obwohl sie so groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wohin der will, der es führt. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rechnet sich große Dinge zu. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet’s an!“
Jakobus 3, 4+5