Mit oder ohne Stiel?

Ein Geburtstag wie aus dem Bilderbuch: bestes Wetter, ein gemütlicher Garten, Bierbänke, ein abwechslungsreiches Buffet (zu dem ich nur eine einzige Sache beigetragen habe), gegrillte Köstlichkeiten. Gegen Ende der Feier kommt ein kühler Weißwein auf den Tisch – und ein Karton mit langstieligen Weingläsern. Es ist warm, aber sehr windig. Daher nehme ich mir (wie gewohnt pragmatisch) anstelle eines Weinkelches eins der Allzweckgläser; auf mich wirken diese deutlich standfester. Prompt ernte ich skeptische Blicke und von meiner Freundin einen Kommentar: Stillos sei es, einen Weißwein aus solch einem Glas zu trinken. Ich frage mich (und in die Runde), warum. Die Ansichten gehen auseinander; wir können uns nicht einigen. Ich entscheide mich für den Selbstversuch – und siehe da: Mir schmeckt der Weißwein in diesem Garten-Setting auch aus einem stiellosen Saftglas. Dass das auf andere vielleicht stillos wirkt, ist mir egal.

Das wars

Lange war es noch winterlich kühl und ich nur spärlich im Garten aktiv. Für unsere Buchsbaum-Zünsler dagegen waren die letzten Wochen offenbar frühlingshaft genug: Erfolgreich raspelten sie sich durch die zwei noch verbliebenen Buchsbäume an unserer Terrasse. Übrig bleibt ein trauriger Anblick; ich hole kurzentschlossen die Astschere. Eine halbe Stunde später liegen die halbzerfressenen Büsche vor dem Kellereingang. Nur ein paar Stümpfe markieren ihren ursprünglichen Standort – und zeigen meinem Mann, wo er (gelegentlich!) das Wurzelwerk ausbuddeln darf. Ich gewöhne mich schnell an die freie Sicht und habe kein Mitleid mit den nun heimatlosen Raupen. Sie müssen sich woanders eine Bleibe suchen oder werden verhungern … 

Gestresst – genervt – gelassen

In der Wochenmitte: Jemand wünscht mir einen schönen Nachmittag: Ich solle mich vom Stress des Vormittages erholen. Nach kurzer Überlegung antworte ich, dass mich der Arbeitsvormittag nicht stresst – weder der Zeitdruck oder meine eigene Unzulänglichkeit noch das manchmal knirschende Miteinander. All das ist für mich nicht so wichtig, dass es mich stressen würde. Solange mit meiner Familie alles in Ordnung ist (ohne dass alles super läuft), bleibe ich gelassen.

Zwei Tage später fahre ich genervt von allem Möglichen einkaufen. Vor dem Supermarkt treffe ich eine Freundin, die mich fragt, wie´s mir geht. Ich sage, dass mein Tag bisher suboptimal läuft – in etwas drastischeren Worten. Sie zögert ein bisschen und erzählt mir dann, zu welcher Familie das verunglückte Kleinkind gehört, von dem ich kürzlich in der Zeitung las. Sogleich werde ich kleinlaut und still und denke an meine eigenen Worte: Solange mit meiner Familie … 

Unerwartet: mehr als eine Notiz

Im alten Kinderzimmer meines Sohnes suche ich eine Facharbeit von ihm. Zwischen allerhand Papier finde ich sie – und einen abgerissenen Notizzettel, auf dem er notiert hat, wofür die Kinder mir dankbar sind:

Schuhe kaufen,
kochen + Wäsche,
hinter uns herräumen,
Hausaufgaben und Schreibübungen,
zu Freunden gefahren,
immer hinter uns gestanden + motiviert,
geduldig gewesen,
Extras für uns gekauft (Guthaben, Klamotten),
getröstet

Ich suche eine Facharbeit und finde: viel mehr als das.

Für und Wider

Es ist ungemütlich, zwischen den Stühlen zu sitzen: nicht zu wissen, wie man sich entscheiden oder wem man es lieber recht machen sollte.

Es ist auch unangenehm, zwischen die Fronten zu geraten: als unbeteiligter Dritter hineingezogen zu werden in den Streit von zwei anderen.

Einerseits: Auf den ersten Blick hört sich `zwischen den Stühlen´ besser an – die Konsequenzen bleiben eher harmlos; `zwischen den Fronten´ sind Kollateralschäden oft unvermeidlich.
Andererseits: Um das Machtgerangel anderer kann ich einfach einen Bogen machen; die inneren Kämpfe der Entscheidungsfindung lassen sich nicht ebenso leicht lösen.

Was mir in jedem Fall weiterhilft: Mut zur Lücke!

Wer weiß?

Im Eifer des Tagesgeschäfts nehmen wir uns oft nicht die Zeit, etwas Positives zu sagen: Abläufe müssen funktionieren; und es scheint oft wichtiger zu sein, das aus dem Weg zu räumen (und zu benennen), was nicht läuft. Und das, obwohl gerade dann ermutigende Worte allen gut täten.

Ich will verschwenderisch mit Lob umgehen, Menschen ermutigen und wertschätzen – selbst wenn ich nur sehr selten erfahre, was meine Worte bewirken. Wer weiß denn, ob sie nicht doch guttun? Die Alternative, nämlich gar nichts zu sagen, bewirkt auf jeden Fall: nichts. 

Aber!

Wir gehen spazieren. Mein Mann bedauert, dass etwas, das ihm wichtig ist, momentan nicht in sein Leben passt. Ich versuche, den Druck aus dem Kessel zu nehmen und ihn zu beruhigen: Ich würde sein Bedauern verstehen, das sei wirklich schade, es habe eben alles seine Zeit, im Moment bedeute nicht für immer … etc. Bevor ich das eine Wort aussprechen kann, dem all meine Gegenargumente folgen würden, unterbricht er mich: „Jetzt kommt´s gleich, das Lieblingstier meiner Frau – der A-Bär!“ Stimmt ja auch: Es gibt immer ein Aber.

Ich weiß (wenigstens), dass ich nichts weiß!

Ein hochrangiger Politiker gibt ein Interview. Da er auch `Lehrer ist´, gehen einige Fragen natürlich in Richtung Schule – ohnehin ein beliebtes Thema. Manches finde ich gut:
dass er zum Beispiel meint, Lehrer zu sein, sei heute schwieriger als früher.
Eine ganze Reihe seiner `guten Ratschläge´ finde ich weniger gut:
dass es öde sei, wenn Lehrer heutzutage immer wieder nach mehr Lehrern und kleineren Klassen riefen;
dass Medien in die Schule gehörten, damit Kinder verständen, was jetzt `Welt´ bedeute und wie man sich verlässlich informiere;
dass wir mehr Ganztag bräuchten und fächerübergreifendes Lernen;
dass Rechtschreibung ebenso unnötig sei wie eine zweite Fremdsprache – schließlich gebe es korrigierende Schreibprogramme und Handys, die in Echtzeit `übersetzen könnten´. 

All das kann ich nicht teilen; aber natürlich bin ich keine Lehrerin, also ohne Expertise, und werde nicht gefragt. Spaßeshalber erlaube ich mir, nachzuschauen, wie lange und wann dieser Berufspolitiker als Lehrer tätig war: mit Unterbrechungen von 1988 bis 1995 – danach nicht mehr. Aha. Unwillkürlich fällt mir ein anderer Berufspolitiker ein, der mal Medizin studiert, aber nie als Arzt praktiziert hat. Auch er wird (noch Jahrzehnte später) um seine ärztliche Meinung gebeten, als wäre einmal erworbenes Wissen ewig abrufbar.

Mich überzeugt derartige Expertise jedenfalls nicht und das hat einen Grund: Nur weil ich fünf Kinder habe, werde ich in 30 oder 40 Jahren nicht automatisch Expertin in Sachen `Mutter kleiner Kinder´ sein. Das hatte sich schon erledigt, als mein Jüngster neun Jahre alt war: Damals wollte ich die dreijährige Tochter unseres Besuchs allein auf die Straße schicken, um meinen Kleinen zu suchen … Auch mein Wissen als studierte Agraringenieurin qualifiziert mich nicht dazu, Landwirten Ratschläge zu geben.

Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich sage, dass Expertenwissen ohne direkten Praxisbezug eben keins ist. Stattdessen sollte man lieber diejenigen fragen und zu Wort kommen lassen, die ihren Job tatsächlich erledigen!

Heiße Eisen

Manche Themen sind heikel, umstritten oder schwierig, zum Beispiel:
wenn Kollegen Mundgeruch haben oder ihr Parfüm uns nicht gefällt;
Vollzeit-Mütter in Deutschland, die eine Journalistin in einem Artikel (nicht ganz so liebevoll) `Daheimchen´ nennt;
ganztägige Kinderbetreuung für unter Dreijährige;
Zweifel an den Klima-Kipp-Punkten;
zwei oder mehr Geschlechter … 

`Heiße Eisen´ nennt man solche Themen – doch kürzlich erfuhr ich, dass junge Leute diese Redewendung nicht mehr kennen. Mein Sohn kann sich denken, was ich meine, aber auch für ihn ist ein `heißes Eisen´ kein so feststehender und sich selbst erklärender Begriff wie für mich.

Jetzt frage ich mich: Sollte ich derartige Redewendungen nicht mehr verwenden, weil junge Menschen nichts damit anfangen können? Oder ist es gerade gut, weiter von `heißen Eisen´ zu sprechen, damit der Begriff nicht ausstirbt? Schließlich gibt es noch immer genug heikle, umstrittene beziehungsweise schwierige Themen, vielleicht sogar mehr als jemals zu vor: genug Gelegenheit also, sie als das zu bezeichnen, was sie sind – heiße Eisen. 

Ein Geburtstag und ein Länderspiel … 

Geschenkidee – Recherche – Hinfahren – Erwerben – Zurückfahren –Auspacken – Zusammenbauen: fertig, und zwar innerhalb von zwei Stunden und vier Tage vor DEM Tag. Es ist wunderbar, wenn etwas `läuft wie ein Länderspiel´. Den Rest des Tages über freue ich mich.