Inspirierend

Ich telefoniere mit einer Freundin, die ich lange nicht gesehen habe. Sie hat eine Autoimmunerkrankung und kann von Jahr zu Jahr weniger, aber das ist nur am Rande Thema. Stattdessen reden wir über alles Mögliche sonst, auch über unsere Kinder und meinen Job. Sie fragt interessiert nach und klagt wenig bis gar nicht: „Wenn ich mich von meiner Krankheit runterziehen lasse, geht es mir auch nicht besser …, aber manchmal jammere ich auch, glaub mir.“ Am Ende ermutigt sie mich hinsichtlich einer Entscheidung, die bei mir in den nächsten Wochen ansteht.

Ich bewundere ihre grundsätzlich positive Sicht, auf das, was noch geht, ihre unerschütterliche Entschlossenheit, irgendwie in Bewegung zu bleiben, und ihr ehrliches Interesse. Davon kann ich mir eine Scheibe abschneiden – und das, obwohl ihr Alltag so viel beschwerlicher ist als meiner.

Neugier oder Desinteresse?

Ich frage meine Kinder alles Mögliche, weil es mich interessiert. Manchmal erzählen sie bereitwillig, manchmal bekomme ich sehr kurze Antworten – und sofort komme ich mir neugierig vor. Worin aber unterscheiden sich Interesse und Neugier, sprich: Wieso will ich wissen, wonach ich frage? Die Antwort ist schwierig – meine Beweggründe sind mir selbst nicht immer vollkommen klar.

Weil ich weder als neugierig wahrgenommen werden noch neugierig sein möchte und außerdem die Auskunftsbereitschaft meiner Kinder respektiere, frage ich manchmal bewusst nicht nach. Sie könnten es als Desinteresse auffassen – auch nicht schön und vor allem (soweit ich mich selbst einschätzen kann): nicht wahr! Aber was bleibt mir übrig? Ich muss wählen, mit welchem Makel ich besser leben kann.

Einstellungssache

Murrend putzen – oder mit einem Lied auf den Lippen.
Kritisch die Mängel aufzeigen – oder Unterstützung anbieten und anerkennen, was gelungen ist.
Genervt zum x-ten Mal dieselbe Frage beantworten – oder geduldig bleiben und für den anderen nach Eselsbrücken suchen.
Bei jedem Schluck des zu dünn geratenen Kaffees die Miene verziehen – oder lächelnd eine Tasse mittrinken.
Loben und innerlich platzen vor Neid – oder sich ehrlich mitfreuen, wenn jemand etwas gut gemacht hat.

Womit ich konfrontiert bin, ist manchmal nicht zu ändern; was ich daraus mache, ist eine Frage der Einstellung – und macht den Unterschied.

Muttertag

Pünktlich zum Muttertag steht ein Artikel in der Zeitung. In ihm geht es um ein Buch, das von Frauen handelt, die bewusst und freiwillig keine Kinder bekommen; die Autorin ist selbst auch eine von ihnen. Sie, sagt, sie wolle Mütter keineswegs gegen Nicht-Mütter ausspielen, beide Lebenskonzepte sollten gleichberechtigt sein. Den Muttertag sehe sie aber kritisch: Er würde das Bild der Mutter als Frau verfestigen, die sich um alles kümmere, Liebe ausschütte und die Familie zusammenhalte. Die Frau aber, die hinter der Mutter steckt, werde ignoriert – und das sei oft eine Frau, die sich ohnmächtig fühle, die wütend sei und der Altersarmut drohe.

Hier malt eine Nicht-Mutter einseitig ein sehr negatives Bild vom Muttersein und behauptet dann auch noch, es träfe oft zu – eine steile These. Ich kann ihr OFT weder bestätigen noch widerlegen. Aber ich als glückliche Mutter treffe eher selten auf Mütter, die dermaßen unzufrieden sind. Und ich bin mir sehr sicher, dass Mütter noch seltener ihre Kinder für Ohnmacht, Wut und drohende Altersarmut verantwortlich machen. Es sind eher die Umstände, die ihnen das Leben schwer machen. (Außerdem lassen sich die Probleme von Müttern nicht dadurch lösen, dass diese von vornherein keine Kinder bekommen …)

Passenderweise kritisiert die Autorin dann auch noch das traditionelle Familienbild. Es halte sich hartnäckig, sagt sie – zu Unrecht: Schließlich werde rund jede dritte Ehe in Deutschland geschieden und die Zahl alleinlebender Menschen steige kontinuierlich an. Ich finde den Gedanken unlogisch: Es ist nicht deshalb automatisch etwas schlecht und überholt, nur weil wir es nicht mehr hinbekommen – im Gegenteil. Menschen sehnen sich nach Beziehungen und wünschen sich verbindliche Gemeinschaft. Aus diesem Grund hat wohl auch die Autorin einige gute Freundinnen. Das ist schön. Freundinnen sind auch für Mütter wichtig – allerdings keine, die Kinder vor allem als Einschränkung der Lebensqualität betrachten.

Reden und reden lassen … 

Kommunikation ist keine leichte Sache; das Missverständnis ist der Normalfall. Andererseits geht es auch nicht ohne. Wir können keine Gedanken lesen und müssen deshalb weiter reden, zuhören und vor allem: Verständnis haben wollen. Zwischendurch zu lachen wirkt Wunder – ich habe es selbst probiert!

„Na gut!“ oder „Nein danke!“

Mein Sohn hat abends kein Training. Unvorsichtigerweise beklagt er sich darüber in meiner Gegenwart. „Du kannst mit mir laufen gehen“, lade ich ihn ein, „danach fühlst du dich frisch.“ Er verdreht die Augen und sucht nach einer guten Ausrede. Als er keine findet, lässt er sich auf mein Angebot ein. Wie schön – für uns beide. Dennoch bin ich mir sicher, dass er mein Angebot beim nächsten Mal ausschlagen wird: Eine einzige Runde macht noch keinen Läufer.

Schleifstein und Therapie

Meine Freundin sagt, sie sei für ihren Mann sowohl Schleifstein als auch Therapie. Tolle Formulierung, denke ich, auch für mich zutreffend. Wie sehr mein Mann mich auch schätzt, in mancher Hinsicht arbeitet er sich an mir ab – immer wieder und nicht immer mit zufriedenstellendem Ergebnis. Umgekehrt gilt es natürlich ebenso und vielleicht sogar für Beziehungen aller Art: zwischen Eltern und Kindern, Kollegen, Freunden, Geschwistern …

Wir fordern uns heraus und tun uns gut, gehen uns auf die Nerven und fühlen uns miteinander in bester Gesellschaft, sind uns manchmal sehr fremd und doch herrlich vertraut: Schleifstein und Therapie halt.

Klar und deutlich

Jemand reagiert genervt auf meine Fragen (warum auch immer); ich ziehe mich zurück und weiche aus. Die Kommunikation ist gestört und wird kompliziert – ich bin befangen und scheine immer den falschen Zeitpunkt zu erwischen. Mit der Zeit werde ich unsicher und ärgere mich: So funktioniert das Miteinander nur mittelmäßig. Ich sollte ein klärendes Gespräch suchen, obwohl mir derartige Unterhaltungen nicht leichtfallen. Wie sag ich´s nur, denke ich – und was genau? Früher als gedacht, ergibt sich die Gelegenheit; ich ergreife sie (aufgeregt, aber entschlossen) und spreche an und aus, was mir Mühe macht. Es wirkt wie ein Gewitter, nur weniger erratisch: währenddessen überwältigend und durcheinander wirbelnd, danach ist die Luft zwischen uns wieder klar und sauber. Wie wunderbar! Ich will mir das merken – es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.

Eine Frage des Alters

„Mein Sohn sagte mir erst gestern, wenn ich den Bauch nicht einziehe, sehe ich aus wie im vierten Monat“, erzählt mir ein Bekannter. Unweigerlich wandert mein Blick zu seiner Mitte – und siehe da: Er hat Recht! Ich muss schmunzeln und gleichzeitig tut er mir leid. Es liegt schließlich NUR am Alter:

Der Sohn kann essen, was und wie viel er will – und bleibt gertenschlank und wächst in die Länge.
Der Vater ernährt sich deutlich gesünder und bewusster – und bleibt gleichlang und entwickelt einen Schwimmring.

Aus-gesprochen

Ich mache Feierabend und treffe vor dem Büro eine Bekannte. 20 Minuten und ein Gespräch später sehe ich vor der gegenüberliegenden Drogerie den ehemaligen Fußballtrainer meines Sohnes mit seinen Kindern. Wieder 20 Minuten später kommt seine Frau – und ich steige endlich aufs Rad. Auf dem Weg nach Hause überhole ich einen Lehrer meiner Tochter und begleite ihn bis vor sein Gartentor: weitere 20 Minuten, die ich in angeregtem Gespräch verbringe. Zu Hause rolle ich dadurch fast zeitgleich mit meiner Freundin auf den Hof; wir sind verabredet: zu Gespräch und Gebet. Nach zwei Stunden verabschieden wir uns – und mein Telefon klingelt. Ach, ja, ich will ja mit meiner Freundin in England telefonieren! Anderthalb Stunden später legen wir auf: Sie muss kochen. Während unseres Abendbrots berichte ich meinem Mann `aus aller Welt´. Danach bin ich leergeredet und beginne mit einem ausgiebigen Schweigen!