Treffend formuliert?

Es ist sehr warm; entsprechend kleide ich mich: kurzer Rock, Top, Schuhe ohne Socken. Eine Freundin begrüßt mich mit den Worten: „Oh, du siehst aber freizügig aus!“ Erschrocken schaue ich an mir herunter und greife mir ans Dekolleté. Mein entsetzter Blick scheint Bände zu sprechen; auch meine Freundin merkt, dass ihre Formulierung nicht zutrifft: „Ach, Quatsch, da habe ich ein völlig falsches Wort aus der Kiste gezogen; ich meinte … äh, luftig – und bei dem Wetter genau richtig.“

Ich bin beruhigt; in diesem Fall war die Wortwahl ganz offensichtlich völlig daneben. Eine andere Begebenheit kommt mir in den Sinn, in der ich ähnlich erschrocken auf die Bemerkung eines anderen reagiert hatte: Damals bezeichnete mich jemand als `alte Meckerzicke´ – und ich fragte mich noch lange danach, ob und inwiefern diese Formulierung auf mich zutrifft.

Pflegeleicht: nicht so einfach

Ich begegne einer Bekannten; ihre kleine Tochter trägt sie im Tragerucksack vor der Brust. „Und wie läuft es so mit Baby“, frage ich, denn wir haben uns länger nicht gesehen. „Pflegeleicht“, sagt sie lächelnd – und klingt glaubhaft: Die Kleine schläft. Pflegeleicht waren unsere Kinder auch, denke ich, aber normalerweise nutze ich diesen Begriff eher für unseren Garten. Und der ist inzwischen nur deshalb pflegeleicht, weil wir viele Jahre genau darauf hingearbeitet und uns intensiv um ihn gekümmert haben. Wir haben uns Gedanken gemacht und außerdem gepflanzt und rausgerissen, beschnitten und umgesetzt und was weiß ich. Es dauerte, bis der Garten so wurde, wie er jetzt ist: ein Ort, an dem man gern ist und der wenig Korrektur bedarf. Ganz ohne Pflege wäre unser Grundstück heute verwahrlost und zugewuchert – und nicht pflegeleicht, wie ich es verstehe.

Ich schätze, dass für Kinder ähnliches gilt: Auch sie brauchen Eltern, die sich Gedanken machen, prägen und gute Grenzen vermitteln. Nur dann werden sie sich zu Menschen entwickeln, in deren Nähe man gern ist und die immer weniger Korrektur benötigen. Ein pflegeleichtes Kind ist eben nicht ohne Pflege zu haben, sondern im Gegenteil das Ergebnis intensiven Kümmerns – ohne Erfolgsgarantie.

Egal, ob kurz oder lang (2)

Kurznachrichten, auf die Schnelle abgeschickt, haben Konjunktur. Es ist, als würden wir unbedingt in derselben Zeit mehr unterbringen wollen – und merken nicht, dass etwas auf der Strecke bleibt. Meine (vielleicht steile) These: Wer eilig ist, bleibt oberflächlich.

Andererseits ist `ausführlich´ nicht automatisch tiefgehend. Manche Menschen reden viel, ohne wirklich etwas zu sagen – nicht nur Politiker, die das vielleicht bewusst und aus taktischen Gründen tun.

Wer wirklich etwas weitergeben möchte, muss seine Worte bewusst wählen – ob lang oder kurz ist dann zweitrangig. Aber den wenigsten von uns ist es in die Wiege gelegt, klar und verständlich zu formulieren. Man muss es lernen: am besten schon im Elternhaus. Dietrich Bonhoeffers Vater war seinen Kindern diesbezüglich ein guter Lehrer: „Seine Ablehnung der Phrase hat manchen von uns zu Zeiten einsilbig und unsicher gemacht, aber erreicht, dass wir als Heranwachsende an Schlagwörtern, Geschwätz, Gemeinplätzen und Wortschwall keinen Geschmack mehr fanden …“ Offensichtlich war diese `gute Schule´ kein Spaziergang, sondern mühselig und bisweilen unangenehm. Meine zweite (vielleicht steile) These: Der Weg des geringsten Widerstandes ist nicht unbedingt der, der zum Ziel führt. Oder, wie ein Freund von uns treffend formuliert: Können kommt von üben!

Pfingstrosen

Es regnet viel und immer wieder; meine Pfingstrosen im Garten biegen sich unter der Last des Wassers – und ihres eigenen Gewichts. Vor dem nächsten Regen schneide ich einige ab und stelle sie in eine Vase. Sie sehen wunderbar aus und erfüllen die Küche mit einem dezenten Duft. Es ist nicht mein Verdienst, dass diese Pflanze so üppig blüht. Ich habe mich nicht besonders um sie gekümmert, sondern ihr nur einen Platz in meinem Garten gegeben. Die Blüten sind für mich ein sichtbares Zeichen von Gottes kostenloser Großzügigkeit – egal, ob ich sie ganz bewusst in der Küche bewundere oder im Garten kaum sehe. 

Vom Fliegen

Unser Haus, das Nest unserer Kinder, ist noch nicht leer, aber auch nicht mehr voll. So schnell hintereinander sie geboren wurde, so zügig nacheinander verlassen sie jetzt unser gemeinsames Zuhause. Das Flüggewerden verläuft in Stufen: Zwei `Kinder´ sind bereits ausgezogen; zwei der drei anderen sind sozusagen kurz vor dem Sprung. Insgesamt empfinde ich diese Jahre als eine herausfordernde, weil sehr bewegte Übergangsphase: Das Nest hat seine besten Zeiten hinter sich – und lässt jetzt buchstäblich Federn.

Bei uns herrscht ein Kommen und Gehen wie im Basiscamp am Fuße eines hohen Berges. Die Kinder kümmern sich um ihren Kram, stärken sich und brauchen Gespräch – oder ihre Ruhe. Währenddessen machen sie Flugübungen und ziehen immer größere Runden. Mein Mann kümmert sich hauptsächlich um die Finanzierung; ich sorge für Logistik, Organisation und Atmosphäre. Obwohl ich damit schon seit über 20 Jahren beschäftigt bin, ist irgendwie doch alles anders: Auch ich übe. Ich muss flexibler sein als je zuvor – mal ganz präsent sein und mal schön im Hintergrund bleiben. Manche Tage reicht meine (Flug-)Erfahrung aus; an anderen enden all meine Bemühungen sozusagen in einer totalen Bruchlandung. Dann brauche ich ein paar Tage, um mein zerzaustes Gefieder zu glätten.

Egal, ob kurz oder lang

`Kurz angebunden´ kommt nicht gut an, und möglichst kurze Nachrichten sind gern mal inhaltsarm; aber wer sich kurzfassen kann, erreicht seine Zuhörer! Wohl dem, der in wenigen Worten sagen kann, worauf es ankommt!

`Langatmig´ kommt nicht gut an, und langweilige Sprachnachrichten sind gern mal nervig; aber wer lebendig erzählen kann, erreicht seine Zuhörer. Wohl dem, der weiß, auf welche Worte es ankommt!

(K)eine blöde Kuh

Auf meiner Laufrunde treffe ich eine Freundin; sie schiebt ihr Fahrrad und sieht unglücklich aus. „Irgendeine Kuh hat mir mein Fahrrad auseinandergenommen“, sagt sie. Welche blöde Kuh denn bitte – hier ist niemand zu sehen. Außerdem sind derart drastische Worte sonst nicht ihre Art. Mein Gesichtsausdruck ist offenbar ein einziges Fragezeichen, denn meine Freundin ergänzt: „Ich hab´ nur mein Fahrrad abgespritzt, dann kurz angelehnt und im Stall Futter nachgeschoben. In der Zeit hat eine Kuh das Vorderrad ausgebaut und das Schutzblech verbogen.“ Ich fange an zu grinsen, denn es geht nicht um irgendeine blöde Kuh, sondern wortwörtlich um eine ihrer 70 Schwarzbunten. Und blöd ist diese Milchkuh offensichtlich auch nicht – sie hat schließlich ganze Arbeit geleistet.

Reife Entscheidung

„Die kürzesten Wörter, nämlich `ja´ und `nein´, erfordern das meiste Nachdenken.“
Pythagoras von Samos, griechischer Philosoph

Manchmal bin ich mir meiner Sache ganz sicher – und entscheide schnell und spontan. Wenn es um mehr geht und etwas schwerwiegendere Folgen hat, befrage ich sowohl Verstand als auch Gefühl. Eile kann diesen Prozess nicht beschleunigen, im Gegenteil: Zeitdruck verursacht bei mir einen verkrampften Tunnelblick, der mich mental lähmt und körperlich anspannt. Für eine ausgewogene Antwort brauche ich (wie der Philosoph) Ruhe und Muße. Entsprechend trete ich innerlich einen Schritt zurück, ignoriere alle Dringlichkeit und konzentriere mich bewusst auch auf andere Dinge. Erst dann kommt hinsichtlich des ursächlichen Problems wieder etwas in Gang – und in mir reift (wie nebenbei) eine klare Entscheidung.

Einfach genial

Manche Aquarelle von August Macke sehen so einfach aus, dass man meint, jeder könnte so malen. Aber es kommt eben nicht jeder auf die Idee, Alltagsszenen in derart knalligen Farben und mit wenigen Formen aufs Papier zu bringen.

„Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“, hat Loriot gesagt. Ein kurzer Allerweltsatz, denkt man, und so einfach. Aber es ist eben nicht jeder in der Lage, einer ernst gemeinten Aussage eine derartige Komik zu verleihen.

Weniger ist mehr, heißt es: Wie wahr! Noch so ein Satz – einfach genial!

Schwere Entscheidung

„Wer jede Entscheidung zu schwernimmt, kommt zu keiner.“
Harold Macmillan

Ich weiß eigentlich schon meistens, was ich will, aber mich dann dementsprechend zu verhalten, empfinde ich als herausfordernd: Ich möchte niemanden übergehen und mir andere Optionen offenhalten. Dabei liegt es nicht in meiner Hand, ob jemand sich aufgrund meiner Entscheidung übergangen fühlt; und auf zwei Hochzeiten kann man nicht tanzen.

Auf jeden Fall dauert es bei mir oft lange, bis ich einer Entscheidung Taten folgen lasse. Das ist ärgerlich, denn gedanklich bin ich entsprechend lange damit beschäftigt – und dabei nicht nur fröhlich: „Wer jede Entscheidung zu schwernimmt, bekommt schlechte Laune.“