Alles hat einen Preis

Interessanter Gedanke, der so klar ist und doch so wenig gelebt wird: Jedes Lebenskonzept hat seinen Preis. Für alles muss ich etwas anderes sein lassen, ich kann nicht alles haben, mein Tun, meine Entscheidungen haben immer Konsequenzen:

Eine 4- (oder schlechter), wenn ich die Vokabeln nicht gelernt habe; einen dicken Kopf, wenn es drei Gläser zu viel waren; weniger Geld für ein neues Auto, wenn ich schon auf die Malediven geflogen bin; keine echten Freunde, wenn ich selbst kein guter Freund bin. Ein Ferienjob hindert mich daran, gleichzeitig ins Schwimmbad gehen zu können. Ebenso müssen wir mit unseren Lebensvorstellungen flexibel reagieren, wenn wir Kinder bekommen.

Unser Garten gleicht im Sommer einer Zone für bewegungsfreudige Kinder – vollgestellt mit Pool, Trampolin, Fußballtoren, Reckstange anstelle von grüner Oase. Das ist ein Preis fürs Kinderhaben. Andere sind: eingeschränkte Lesezeiten, keine ununterbrochenen Erwachsenen-Gespräche, mehr laute als stille Mahlzeiten, nur mit Aufwand realisierbare Abende der Zweisamkeit (und nie im eigenen Haus), kein unbeobachtetes Naschen mitten am Tage. Die Frage, wer die letzte Tomate, Scheibe Wurst, das letzte Grillwürstchen vom Vortag … verzehren darf, klärt sich nicht nonverbal und friedlich, sondern immer in engagierter Diskussion. (Ein junger Vater zweier kleiner Kinder erzählte mir neulich von der EINEN Donauwelle, die er sich gekauft hatte. Im Auto sitzend hat er sie gegessen. Allein. Nicht mit der Familie zusammen am Esstisch. Hat mich irgendwie erheitert.)

Wir leben allerdings in einer Zeit und einer Welt, in der es so aussieht, als hätten unsere Lebensentscheidungen keine Konsequenzen auf unsere Lebensmöglichkeiten. Es ist meiner Meinung nach eine Lüge, dass Familie und Beruf ohne weiteres vereinbar sind – daran ändern auch freie Kindergartenplätze, Ganztagsschulen und flexible Arbeitszeiten nichts. Kinder kosten eben nicht nur Geld, das wir mit mehr Arbeit verdienen können, sondern vor allem Zeit und Nerven, die wir dann aber auch schon in diese Arbeit investiert und für die Familie nicht mehr übrig haben.

Wer sich als nicht berufstätige Hausfrau und Mutter zu einer gewissen Nichtvereinbarkeit bekennt, „zahlt“ an anderer Stelle: Die Arbeit zu Hause wird nicht vergütet; und was davon übrig bleibt, hat eine extrem kurze Halbwertszeit – Kochen und Putzen – oder ist schlecht messbar – Erziehung.

Wir Menschen sind schon ein undankbares Volk – wollen alles, aber es darf nichts kosten!

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