Ausgesprochener Vorteil

Spontan werfe ich nicht nur mein Kärtchen in den Briefkasten, sondern klingele, um persönlich zu gratulieren. Das Geburtstagskind freut sich und bittet mich herein; drei andere Spontan-Gäste sitzen schon bei Sekt und/oder Kaffee. Wir kennen uns nicht und fragen uns, was wir machen. „Ich bin Texter“, sage ich und werde sofort unterbrochen: „Texterin heißt es – ich bin Gleichstellungsbeauftragte!“ Ich bin perplex und würde gern widersprechen, lasse es aber: Geburtstagskinder dürfen mehr als andere.

Hinterher googele ich, was eine Gleichstellungsbeauftragte so macht – und in wessen Auftrag. Sie `hat allgemein die Aufgabe, die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen´, lese ich im Internet. Offenbar umfasst die Tätigkeit, Vorteile auch durch Sprache zu gewährleisten – im Job und privat. Was aber, wenn ich als Frau keinen Wert darauflege? Wenn ich mich selbst nicht als Ingenieurin bezeichne, sondern als Ingenieur, als Texter und nicht als Texterin, als Rad- beziehungsweise Autofahrer oder Fußgänger …? Muss ich aus Rücksicht auf alle anderen, die eventuell Wert darauflegen, mitmachen bei dieser Art bemühter Gleichbehandlung? Ich weiß es nicht, lasse mir aber ungern vorschreiben, was oder wie ich zu reden habe – und sei es noch so sehr zu meinem Vorteil.

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