Vor einiger Zeit sagte eine Freundin zu mir, ich sei eine weise alte Eule. Es war als Kompliment gemeint. Davon merke ich wenig: Je länger ich lebe, umso weniger habe ich klare Antworten, sondern weiß, dass es immer mehrere Perspektiven gibt. Insofern hielt ich mich mit Mitte 20 schon für deutlich weiser als jetzt mit Ende 40. Natürlich werde ich älter, aber bislang spürte ich das nicht – weder im Geist noch am Leib.
Das hat sich zunächst schleichend, dann schlagartig geändert: Worte wie Alterswarze, Verschleiß und – neuerdings – Arthrose (!!!) sind nicht mehr nur abstrakte Begriffe, sondern reale Gegebenheiten meines Körpers. Darüber kann ich mich ärgern und tue es auch. Aber nicht nur das – ich bin wie in Schockstarre. War mein dreimal wöchentliches Laufen vor ein paar Tagen noch Genuss und Selbstverständlichkeit, bin ich nach dieser Diagnose wie gelähmt: Mache ich mit Laufen alles nur schlimmer? Was kann ich verhindern, wenn ich auf Schonung umschalte? Sofort und total? Was geht noch, was nicht mehr?
Dieser Zustand hält nicht an – glücklicherweise. Dazu ist mein Laufen viel zu sehr Ausgleich, Psychohygiene und nicht nur für mich, sondern auch für den Rest der Familie wichtig. Stimmungsentscheidend sogar. Was tun? Verdrängen geht nicht (mehr). Auch Vergleichen hilft nicht – obwohl es aufmuntern kann: Ich stelle immer wieder fest, dass andere in meinem Alter deutlich älter aussehen. (Ich vermute allerdings, dass es jenen ebenso geht.) Nein, die einzige Lösung ist, im Jetzt zu leben und die Perspektive zu ändern: „Für mein Alter… – bin ich noch ziemlich fit, kann ich noch gut laufen (sehen, hören …), bin ich noch sehr belastbar, habe ich wenige altersgemäße Einschränkungen.“ Ich kann dankbar sein für meinen Zustand, Frust wäre Jammern auf hohem Niveau.
Dem Alter (des Leibes) ins Auge blicken. Die Jugendlichkeit (des Geistes) genießen, solange es geht.