Anders

Menschen haben dunkle oder helle Haut, sind klein, groß, dick oder dünn, blitzgescheit oder lernbehindert, jung oder alt. Wir haben Geschwister oder auch nicht, sind alleinstehend, liiert, verheiratet oder geschieden, kinderreich oder kinderlos. Manche sind psychisch labil, einige nervenstark; es gibt chronisch Kranke und Leute wie die Queen. Der eine ist risikofreudig, der andere super vorsichtig – und unterschiedlich belastbar sind wir auch. Extrovertierte sind in der Regel lauter als Introvertierte; schüchterne Persönlichkeiten stehen eher in der zweiten Reihe, großspurige und impulsive Typen dagegen ganz vorn. Außerdem ist, wer viel besitzt, nicht unbedingt glücklicher als ein armer Schlucker.

Alle diese Eigenschaften, Umstände, Begabungen und Begrenzungen prägen uns und machen uns zu denen, die wir sind. Nicht zwei Menschen auf der Welt ähneln sich vollkommen oder leben genau gleich. Wir bemerken ja manchmal sogar, dass wir heute anders `drauf sind´ als noch vor 20 Jahren – und reiben uns am stärksten an denen, die so sind wie wir!

Kurz: Wir sind verschieden – `divers´: schon immer gewesen und in vielerlei Hinsicht. Jeder, der in Beziehungen lebt, merkt das und findet es sowohl gut als auch herausfordernd. Es ist mir daher völlig schleierhaft, wieso `divers´ heutzutage so betont wird: als würden unsere unterschiedlichen Identitäten erst jetzt gebührend gewürdigt – und hätten sowieso hauptsächlich (oder gar ausschließlich) mit unserer sexuellen Orientierung zu tun.

Rollstuhlfahrer kommen in Deutschland noch immer nicht in jede Schule; eine Theaterführung für Gehörlose ist (zumindest in unserer Kleinstadt) eine Besonderheit; Bürgersteigkanten, die Sehbehinderten die Orientierung erleichtern sollen, stellen Stolperfallen dar – für eilige Radfahrer … Wir werden noch lange brauchen, bis in unserem Land wirklich JEDER gleichermaßen berücksichtigt und umsorgt wird. Von Staats wegen scheint das Augenmerk momentan vor allem auf einer Form von divers zu liegen, der Geschlechtlichkeit: Es geht um die dritte Toilette, urkundliche Einträge oder sprachliche Anpassungsversuche. Aber auch in diesem Bereich – wie in allen anderen – beginnt gegenseitige Wertschätzung bei uns persönlich: in Form von freundlichem Respekt und Rücksichtnahme allen gegenüber – selbst wenn sie anders sind als wir.

Tausche Gebet gegen Säbelrasseln?

Die Dänen wollen einen Feiertag abschaffen, um mehr Geld ins Militär stecken zu können. Soweit so gut: Wenn der Staat dringend Geld braucht, muss das Volk mehr arbeiten. Dass nun unbedingt der `Große Gebetstag´ gestrichen werden soll, klingt für mich – jedenfalls ein bisschen – zynisch. Wobei ich gar nicht weiß, ob ich genau das meine: zynisch. Zum einen fällt es mir schwer, zynisch, ironisch und sarkastisch exakt voneinander zu unterscheiden. Zum anderen bin ich tatsächlich nicht ganz sicher, was ich von dem Plan halten soll: tausche Gebet gegen Säbelrasseln.

Dabei ist mir natürlich vollkommen klar, dass in Dänemark fast niemand mehr einen für das `große Gebet´ bestimmten Feiertag auch dazu nutzt. Bei uns denkt ja am Tag der Arbeit auch niemand pausenlos an die Arbeit; nur einige erinnern sich Karfreitag und Ostermontag an den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus; und der Buß- und Bettag motiviert sicher wenige von uns, Buße zu tun und zu beten. Die meisten Feiertage sind in erster Linie eine willkommene Pause im normalen Arbeitsalltag – es wird landesweit weder produziert noch Geld erwirtschaftet. Entsprechend ist es folgerichtig, Löcher in der Haushaltskasse damit zu stopfen, einen von diesen nicht lukrativen Feiertagen ersatzlos zu streichen.

Dennoch klingt es für mich fast paradox: Der Mensch will den Frieden sichern, Kriege beenden oder vermeiden – und das einzige, was uns dazu einfällt, ist, aufs Beten zu verzichten? Gerade in Bezug auf Krieg und Frieden geraten wir Menschen an unsere Grenzen, ist das Verhandeln derart schwierig und eben nicht nur von militärischer Stärke abhängig. Gerade für den Frieden sind Kompromisse wichtig, müssen verfeindete Parteien aufeinander zugehen, sind Waffen und Gewalt nie die einzige Lösung, sondern Garant für großes Leid. Gerade hier braucht es Geschick, Empathie, Diplomatie, Risiko-Bereitschaft und Demut: den Mut zum ersten Schritt, zum Brückenbauen, zum Vertrauen. Wie aber kann all das am besten entstehen und begleitet werden, wenn nicht durch Gebet?

Ganz einfach besonders!

Ich bin zum Frühstück eingeladen und freue mich auf die Leute; kulinarisch erwarte ich nichts Besonderes. `Ein Frühstück halt´, denke ich, `Brötchen mit Käse und Marmelade, wahrscheinlich Obst, vielleicht Fisch, das wars.´

Der Tisch ist reich gedeckt – auch mit Käse, Marmelade und Obst. Aber daneben steht noch mehr: ein Brotaufstrich aus Bohnen, Walnüssen und Rosmarin zum Beispiel und ein Dip mit Datteln, Schmand und Harissa. Die Schneeballfrucht-Marmelade ist verfeinert mit Apfel, Kürbis und Johannisbeerlikör – und passt hervorragend zu den selbst gebackenen Brötchen. Vieles ist besonders und alles ausgesprochen lecker. Die Rezepte seien `ganz einfach´, meint die Gastgeberin und verspricht, sie mir zu schicken.

Ich nehme mir vor, meinen nächsten Gästen ebensolche Köstlichkeiten zu servieren, ahne aber, dass es bei dem Vorsatz bleiben wird: Meist stelle ich dann doch nur Käse, Marmelade und Obst auf den Tisch. Dabei ist es offenbar ganz einfach, ein Frühstück kulinarisch besonders zu machen – vielleicht auch für mich.

Luxus? Selbstverständlich!

Ausnahmsweise mache ich meinen Wocheneinkauf mit dem Auto: Eine erfolgreich abgearbeitete Einkaufsliste würde die Aufnahmekapazitäten meines Fahrradanhängers sprengen. Auf dem Parkplatz schnappe ich mir diverse Tüten und Kisten aus dem Kofferraum und will das Auto abschließen. Mit vollen Händen gelingt es erst beim dritten Versuch, per Knopfdruck die Zentralverriegelung auszulösen. Bevor ich mich darüber ärgern kann, realisiere ich, dass ein ehemaliger Luxus für mich selbstverständlich geworden ist: Unser vorheriges Auto besaß drei Türen und eine Kofferraumklappe – jedes mit rein mechanischen Schlössern versehen. Jahrelang hatte ich (per se) mit mindestens einem Kleinkind die Hände voll; aber ich kann mich nicht erinnern, dass mir das Abschließen Probleme bereitet hätte. Ich war wohl einfach besser sortiert; vor allem am Anfang reichte mir außerdem der Luxus eines geräumigen Autos. Als dieser selbstverständlich geworden war, wünschte ich mir Extras wie `mehr als 100 PS für zwei Tonnen´ oder `eine bis zu den hinteren Sitzen spürbare Heizung´ – vielleicht sogar eine Klimaanlage? Das nächste Auto erfüllte manche Wünsche und brachte die Zentralverriegelung gleich mit: für mich Luxus!

Gemessen an dem, was heute auf deutschen Straßen unterwegs ist, läuft unser Auto eher unter Standard. Ich könnte mir leicht mehr Luxus wünschen – muss ich aber nicht: Denn ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich mittlerweile als selbstverständlich erlebe.