In ein ehemaliges Autohaus in der Stadt ist ein neues Fitness-Studio eingezogen: Die Laufbänder stehen direkt vor großen Fenstern, die zur Straße weisen. Wenn ich dort vorbei radele, schaue ich den Trainierenden in ihre mehr oder weniger angestrengten Gesichter – und finde das jedesmal komisch. Es kommt mir so vor, als würde ich bei etwas Privatem zuschauen. Ich laufe ebenso öffentlich einsehbar durch Feld, Wald und Wiese … , aber irgendwie fühlt sich das anders an.
Nebenbei
Ich soll einen Text korrigieren, möglichst schnell. Mit dem behandelten Thema kenne ich mich nicht aus und interessiere mich nur bedingt dafür. Daher muss ich mich erst `hineindenken´ in die Materie; es dauert, bis ich mit dem eigentlichen Korrigieren beginnen kann. Am Ende scheint mein zeitlicher Aufwand in keinem guten Verhältnis zu stehen dazu, wie viel ich tatsächlich kürze, umformuliere und glätte. Dennoch ist der Tenor des Textes anschließend ein anderer. Wir sind beide zufrieden, mein `Auftraggeber´ und ich. `Nebenbei´ staune ich mal wieder, wie gern ich an und mit Texten arbeite.
Begrenzt
Je länger du dich mit etwas beschäftigst, desto besser wirst du – zumindest geht es meinem Sohn so in seinem Mathe-Kurs an der Uni. Ich bin dankbar, dass er diese Erfahrung macht: Es kostet Kraft, Überwindung und Ausdauer, sich immer wieder einem schwierigen Thema zu widmen. Leichter wäre es, sich von Misserfolgen aus der Bahn werfen zu lassen – und aufzugeben. Aber so läuft es eben nicht im Leben, so kommt man nicht weiter. Nur wenn du deine Komfortzone verlässt, entwickelst du dich weiter. Begrenzt du dich auf das, was du schon beherrschst, bleibst du – begrenzt.
Wenn schon, denn schon!
Wir verzehren sehr selten sogenanntes Fast Food; diese Art Essen hat unserer Meinung nach wenig Stil. Nur auf Drängen der Kinder gehen wir hin und wieder zu einer der beliebten Ketten – und werden jedesmal in unseren Vorurteilen bestätigt. Wir empfinden dort alles irgendwie stillos: das Essen, die Plastiktabletts, die Abfertigung, die Unmengen an Verpackung und das Ambiente. Die Kinder teilen unsere Vorbehalte, essen aber trotzdem gern eine Boulette im Brötchen. Ein Kompromiss sind selbst zubereitete Burger: mit echten Burgerbrötchen, Hackfleisch von der Fleischtheke, knackigem Gemüse. Das Ergebnis schmeckt erstaunlich gut und frisch; allein die Esskultur erinnert noch an das Original. Nach zwei Bissen nimmt einer von uns Messer und Gabel zu Hilfe – in den Augen der anderen ein echter Stilbruch. Wenn schon, denn schon!
Einkaufen: Fremdgehen ist doof
Sehr selten fahre ich zu einem deutlich größeren Supermarkt: wenn etwas im Angebot ist oder ich etwas Spezielles benötige, was ich nur dort bekomme. Bin ich schon mal da und mit dem Auto unterwegs, erledige ich gleich meinen normalen Einkauf. Man könnte meinen, die breitere Auswahl würde mir ein schöneres Einkaufserlebnis bescheren. Mitnichten! JEDESMAL dauert es länger (weil ich nichts gleich finde), überfordert mich die Auswahl, fehlen mir die bekannten Gesichter aus `meinem´ Supermarkt. Ich bin ein Gewohnheitstier; Fremdgehen ist doof – auch beim Einkaufen.
Gemeinschaft
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, heißt es. Und ein Schwarm Kraniche ist noch nicht das Zeichen, dass der Frühling da ist, aber er macht Hoffnung darauf. Seit einigen Tagen sehe (und höre) ich auf meinen Spaziergängen Kraniche, die in großen Gruppen über mich hinweg fliegen. Heute Morgen blieb ich kurz stehen: Immer wieder begeistert mich die typische Flugformation in Form eines Vs, die jedem Vogel ein sehr kraftsparendes Mithalten ermöglicht. An der Spitze wechseln sich viele Tiere regelmäßig ab; die anderen nutzen den Windschatten des vor ihnen fliegenden Vogels. Das ganze Gebilde bewegt sich voran, aber nicht starr: Wie eine Welle reagieren die beiden Schenkel auf den Wind – als flögen dort nicht viele einzelne Tiere, sondern ein zusammenhängendes Band. Alle Vögel sind gemeinsam zu einem Ziel unterwegs; und doch `spielt´ jeder selbst mit dem Wind. Der Einzelne profitiert vom Miteinander und bewahrt sich dennoch seinen eigenen Spielraum – in einer guten Balance: ein super Beispiel, wie auch menschliche Gemeinschaft gelingen kann.
Früher war alles besser?
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Sokrates (469 bis 399 v. Chr.)
Die `jungen Leute von heute´ gab es schon vor zweieinhalbtausend Jahren. Wie schön, dass sich Erwachsen-Sein nicht vererben lässt!
Omikron – eine Innenansicht
Seit zwei Jahren beobachten wir Covid-19. Wir `kennen´ das Virus und die Infektionswellen nur aus der Außenperspektive und fühlen uns wie der Blinde hinsichtlich der Farbe. Nun heißt es seit Wochen, dass wir uns alle mit Covid-19 infizieren werden und müssen – und dass Omikron eine gute Gelegenheit für einen milden Verlauf darstellt. Diese Virus-Variante unterscheidet nicht zwischen geimpft und nicht geimpft: Es erwischt jeden, früher oder später. Wir warten nicht wirklich auf eine Infektion – und hoffen doch auf `früher´.
Letzte Woche dann hat das erste Kind Symptome und einen positiven Schnelltest. Sofort wissen wir: Es gibt nur noch unser Immunsystem zwischen uns und dem Virus – sehr wahrscheinlich wird Covid-19 durch die ganze Familie rauschen. Diese Innenansicht der Welle löst glücklicherweise keine Angst aus, wirft aber Fragen auf wie: `Wann wird der nächste krank und wie schwer/mild? Trifft es uns alle? Wie lange dauert es mit Quarantäne etc.?´
Es ist schwierig, sich gedanklich noch um etwas anderes zu kümmern: Von jetzt auf gleich sind wir isoliert und warten. Die Waschmaschine fällt mir ein, die besonders lange schleudert, wenn man davor sitzt und das Ende herbeisehnt. Also beschäftigen wir uns: Haushalt, Schulaufgaben, Kniffle spielen, lesen, ein Filmabend, leckeres Essen kochen … Unterschwellig bleibe ich sensibilisiert dafür, wie es den Kindern geht und spüre in mich hinein: Kopf- und Gliederschmerzen, Halskratzen, Ermattung, Fieber? Es nutzt nichts – es dauert seine Zeit. Ich erinnere mich an die Windpocken. Die (damals noch vier) Kinder erkrankten nicht gleichzeitig, sondern `schön´ nacheinander.
Neun Tage später sind fünf von sechs leicht symptomatisch und `positiv´. Die erste Patientin darf schon fast wieder teilnehmen am normalen Leben, während ich noch symptomfrei bin und abwarte, was passiert. Ich weiß, es kommt, aber ich weiß nicht genau, was. Mit den üblichen Erkältungen kenne ich mich aus – sie laufen nach einem mir bekannten Muster. Omikron ist neu für mich und meinen Körper; ich will nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel von meinen Abwehrkräften erwarten. Eine Sache aber läuft doch so wie immer; die Perspektive eines gesundheitlich bedingten Ausfalls löst eine mir sehr vertraute Geschäftigkeit aus: Ich wasche, bügele, putze, plane Mahlzeiten – und bereite alle und alles darauf vor, dass ich eventuell ein paar Tage nicht so einsatzfähig sein werde wie gewohnt. Während Omikron durch unsere Familie rauscht, versuche ich, die Auswirkungen nach meinen Kräften zu minimieren.
Unverhältnismäßig!
Einmal im Jahr wische ich unser Bücherregal im Wohnzimmer aus – Frühjahrsputz. Das dauert etwa einen Vormittag und fühlt sich vorher schlimmer an, als es dann wirklich ist. Meist erledige ich diese Aufgabe im März und weiß, dass ich DANACH ein Jahr Ruhe habe. Dieses sehr schöne Gefühl der Freiheit hält leider nur den Sommer über an: Die ersten Staubspuren im Herbst kann ich gut ignorieren, das ist nicht das Problem. Aber ab Dezember lebe ich nicht mehr NACH der letzten Putz-Aktion, sondern VOR der nächsten. Ich ahne schon mitten im Winter, dass schneller Frühling wird, als mir lieb ist – bezogen auf das Bücherregal.
Meist im März kommt unvermittelt ein Tag, an dem es soweit ist. Wie bei so Vielem ist auch hier der erste Schritt der halbe Weg. Es dauert nur etwa einen Vormittag und fühlt sich drei Monate vorher schon schlimmer an, als es dann wirklich ist: völlig unverhältnismäßig!
Souverän oder nicht?
„Dein, Herr, ist die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Hoheit. Denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. … Reichtum und Ehre kommt von dir, du herrschest über alles. In deiner Hand steht es, jedermann groß und stark zu machen.“
1. Chronik 29, 11+12
Gott ist souverän – das ist beruhigend: Ein Gott, der über ALLEM steht, ist ein fester Halt und bietet unerschütterliche Orientierung.
Gott ist souverän – das ist herausfordernd: Gott entzieht sich unserer Vorstellung, er ist in keiner und passt in keine Box. Er lässt sich nicht instrumentalisieren; keine Erfahrung mit ihm können wir selbst heraufbeschwören. Ich kann auch durch ein noch so Gott-gefälliges Verhalten nicht erzwingen, dass Gott wirkt oder nicht – und schon gar nicht in welcher Weise: „Er tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind.“ (Hiob 9, 10)
Gott ist souverän – und wird Mensch: Durch Jesus, seinen Sohn, kommt er uns nah, steht nicht über ALLEN, sondern ist mitfühlend und barmherzig.
„Denn wir haben nicht einen Hohepriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.“
Hebräer 4, 15
Es klingt paradox.