Kürzlich traf ich eine Freundin, die sagte: „Heute war ich im Kaufrausch.“ Sie hatte zehn Hühner erstanden und ihnen zunächst ein Extra-Plätzchen im Hühnerstall eingerichtet. Nach einer kurzen Eingewöhnung sollen sie mit den anderen „alten Hasen“- Hühnern zusammen den Ei-Ertrag steigern. Außerdem hatte sich meine Freundin noch Sellerie-, Kohlrabi- und andere Pflanzen mitgebracht und wollte mit diesen ihren Gemüsegarten bestücken und erweitern. Es ist Frühling. Andere Leute beugen sich ihrem Kaufrausch in den Klamotten- oder Technikläden der nächstgelegenen Stadt.
Ökologischer Fußabdruck
Muss ich per se ein schlechtes Gewissen haben, was das Klima angeht? Allein durch die Tatsache, dass ich in Deutschland lebe, ergibt sich für meinen ökologischen Fußabdruck ein Wert, der über dem liegt, was diese eine Erde gut verkraften kann. Lebten alle so wie ich, bräuchten wir anderthalb Erden. Sagt der Fußabdruckrechner im Netz. Und damit bin ich schon ziemlich gut – verglichen mit dem deutschen Durchschnitt.
Meine Reaktion darauf ist zum Teil Wut, zum Teil Ratlosigkeit. Ich werde bei den „normalen“ Dingen wie Heizung und Wohnraum oder Konsum von technischen Geräten, Car-Sharing etc. meist im Mittelfeld eingestuft. Deutsches Mittelfeld ist aber per se klimaschädlich. Ob ich fliege oder nicht, ist dann eigentlich egal. Ob wir zu siebt ein Auto fahren oder nicht, ist dann eigentlich egal. Ob wir beim Bauern einkaufen oder nicht und insgesamt wenig konsumieren, ist dann eigentlich egal. Einen echten Unterschied macht man mit „ausschließlich Bio kaufen“, „den Wohnraum nur auf 16 Grad Celsius erwärmen und mit Erdwärme“ und „im Alltag ganz ohne Auto klarkommen und in der Freizeit zu Hause bleiben“. Dann könnten wir uns „nur Bio“ auch leisten. Dann würden wir vielleicht sogar gern wenig heizen, um uns ausländisches Wetter ins Haus zu holen. Hängt eben alles zusammen.
Mein Dilemma im Hinblick auf das Klima ist die Wahl zwischen „ist dann eigentlich egal“ und einem dauerhaft schlechten Gewissen.
Bildung
Der Opa meines Mannes durfte vier Jahre zur Schule gehen, danach konnte er nur noch unregelmäßig Unterrichtsstunden nehmen und musste helfen, die Familie zu ernähren. Ab seinem 15. Lebensjahr in den Jahren der beiden Weltkriege hat er sich allein durchgeschlagen und außerdem zielgerichtet um seine eigene Ausbildung gekümmert: Er wusste, dass Bildung der Schlüssel dafür ist, wie sein weiteres Leben verlaufen würde.
War er besonders klug? Ich weiß es nicht, ich habe ihn nicht kennengelernt. Aber ich bezweifle, dass 15-jährige deutsche Kinder heute in der Lage sind, dermaßen klar zu sehen, dass Bildung die Antwort ist auf die Frage: Wie werde ich mein Leben verbringen?
In Deutschland stehen uns alle Möglichkeiten offen, etwas zu lernen. Angefangen von den Utensilien wie Stifte und Papier über kostenlosen Schulbesuch und engagierte Lehrer bis hin zu außerschulischen Informations-Quellen haben wir alles, was wir brauchen.
Sind wir besonders klug? Ich weiß es nicht. In Bezug auf Bildung haben wir das Gespür verloren für den ganz normalen Zusammenhang zwischen Aufwand und Nutzen. Wir sind reich an vielem, aber Wissen und Erfahrung lassen sich nur schlecht (ver-)erben. Die beiden sind jedoch noch immer ein Schlüssel dafür, wie ein Leben verläuft.
Orientierungssinn
Mein Orientierungssinn ist ganz ordentlich – finde ich. Aus Sicht meines Mannes sieht das anders aus. Er selbst hat wirklich eine bewundernswerte Gabe, sich an schon einmal aufgesuchte Orte zu erinnern oder in fremder Landschaft zu orientieren. „Hier waren wir schon mal“, sagt er dann, und ich staune: Ich weiß, dass es stimmen muss, mir aber kommt nichts bekannt vor. Gar nichts. Dieses Abspeichern von Gelände-Informationen geht mir total ab.
Im vergangenen Jahr besuchten wir Freunde in dem Ort, in dem ich vor über 20 Jahren eine Weile studiert und gelebt habe. Ich fand mich überhaupt nicht mehr zurecht, hatte keinen Plan, erkannte nichts. Durch unser Navigationsgerät kamen wir trotzdem an; und schon beim Losfahren am nächsten Tag brauchte mein Mann das Navi nicht mehr: „Da müssen wir lang, alles klar.“ Mich lassen solche Bemerkungen erschaudern. Wieso ist in seinem Hirn Platz für immer neue Verkehrswege und in meinem nicht einmal für altbekannte Pfade? Hat es etwas mit dem Mann-Frau-Unterschied zu tun? Gut möglich: Eine meiner Töchter fuhr heute mit einer Freundin in einen Secondhandshop, mit dem Fahrrad. Die Freundin kannte den Weg. Hinterher wollte ich wissen, wo der Laden ist. „Keine Ahnung, Mama, ich weiß nicht, wo wir langgefahren sind.“ Hätte mir auch passieren können…
Sommerzeit
Es mag sein, dass ich total ignorant bin. Ich habe keine Ahnung von den Kosten, die mit der Zeitumstellung einhergehen. Auch leide ich nicht unter Kreislauf-Beschwerden oder sonstigem. Als ich vor 25 Jahren in Amerika war, bereitete mir die Zeitverschiebung mehr Probleme … Und deshalb kann ich ehrlich sagen:
Ich habe nichts gegen den Wechsel von Sommer- und Winterzeit. Ohne Einschränkungen. Ich liebe die langen hellen Abende im Sommer und finde es super, dass wir im Winter auch irgendwann morgens „Licht bekommen“. Es kann sein, dass wir alle ein paar Tage brauchen, um wieder im neuen Rhythmus zu sein – aber das stört mich nicht. Diesen Preis zahle ich gern; ich finde die Sommerzeit toll!
Erwartungsvoll oder vorsichtig beten?
„Und
alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr´s
empfangen.“
Matthäus 21, 22
Ist das meine Lebensrealität? Auf den ersten Blick nicht. Lange hat mir dieser Vers Mühe gemacht. Gott erhört nicht alle meine Gebete.
Es gibt Menschen, die beten sehr offensiv, sie proklamieren. Ich bewundere diesen Mut, diese Überzeugung; ich glaube, sie hat eine Berechtigung. Ich persönlich habe davon wenig: Ich durchschaue Gottes Willen zu wenig, mir fehlt diese Klarheit. Es ist für mich zum Beispiel nicht immer „dran“, um Heilung zu beten – sie ist für mich nicht die einzige Lösung einer Krankheit. Außerdem ist meine Erfahrung, dass Gott manchmal eben nicht heilt. Warum? Ich weiß es nicht. Also bete ich um Heilung eher fragend und vorsichtig.
„Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst“, hat Jesus in Gethsemane gebetet. Auch ich schiebe das manchmal hinter meine Anliegen – aber es kommt mir nicht leicht über die Lippen. Es klingt mir zu fatalistisch, zu sehr nach dem Motto: Was auch passiert, es ist in Ordnung. Das spiegelt jedoch nicht immer mein Innerstes wieder. Es ist ein Kampf, den Ausgang Gott zu überlassen. Es war auch für Jesus ein Kampf. Vor dem „wie du willst“ betete er: „Mein Vater, ist´s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber…“ Was denke ich, dass es mir leichter fallen sollte als ihm?
Trotzdem bete ich und rechne mit Gottes Hilfe. Ich bete um Bewahrung, für Versöhnung, um Weisheit und Orientierung – und erwarte, dass Gott antwortet. Wie auch immer. Konkret erwartungsvoll bete ich um die Gewissheit von Gottes Nähe in meinem Leben. Auch diese wird mir nicht immer gleich geschenkt, aber um sie ringe ich. Jesus hat gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Enden.“ Deshalb rechne ich damit, dass er bei mir ist – in allem, was passiert. Den Rest versuche ich, Gott zu überlassen.