Eine Freundin von mir wohnt seit einiger Zeit in England – nach fast 20 hier in Celle. Der Ort, in dem sie jetzt wohnt, ist erst seit einem Jahr ihr Zuhause; sie hat noch kein starkes soziales Netz. Vor ein paar Wochen besuchte sie uns und andere alte Freunde hier. Danach fühlte sie sich in England vergleichsweise einsam. Ich kann das verstehen, obwohl auch mein Freundeskreis in Celle keine riesigen Ausmaße hat. Trotzdem bin ich schon 25 Jahre hier zu Hause und habe Freunde und Bekannte – und außerdem dieses ganz besondere Gefühl von Vertrautheit: Für unsere Nachbarn gehören wir hierher, mit einem Ehepaar teilen wir sogar ein Zeitungs-Abo. Im Supermarkt kenne ich die meisten der Angestellten und oft auch einige Kunden. Und wenn ich in der Zeitung die Platzierungen nach einem Lauf-Event studiere, staune ich, wie viele der Namen mir vertraut sind.
Zuhause – unvollständige Listen
Ein Bekannter von uns hat in seiner Küche ein Schild, auf dem steht: „Zuhause ist da, wo ich meinen Bauch nicht einziehen muss.“ Schön, habe ich gedacht, das ist schön. Nicht dass es bei uns in der Familie viele Bäuche gäbe, die eingezogen werden müssten, aber die Idee dahinter finde ich gut. Für uns wären andere Sätze treffender:
Zuhause ist da,
wo ich meine Muskeln spielen lassen kann
wo ich mit ungewaschenen Haaren frühstücken kann
wo jeder weinen darf, wenn ihm danach zumute ist, und so laut lachen, wie er will
wo Morgenmuffel sich nicht zusammenreißen müssen
wo ich mich freuen darf wie ein Kind, auch wenn ich schon lange keins mehr bin
wo ich nicht verurteilt werde, wenn ich ehrlich bin
wo ich unsicher sein kann, ohne belächelt zu werden
Letztlich heißt das „Zuhause ist da, wo ich sein darf“, und das ist großartig.
Aber etwas fehlt mir:
Zuhause ist da,
wo Menschen mich daran hindern, mich selbst aufzugeben
wo wir geprägt werden, ohne es zu merken
wo „intern“ bleibt, was „intern“ ist
wo wir mehr ermutigen als korrigieren und uns trotzdem manchmal kaum ertragen können
wo wir verstehen lernen, dass Stärken und Schwächen immer zusammen gehören
wo wir konkurrieren und alle Heimvorteil haben
wo wir Verlieren lernen können – wenn wir wollen
wo es wahrscheinlich genauso viele Grenzen wie Freiräume gibt – für Leib, Geist und Seele
Zuhause ist da, wo ich mich entwickeln darf.