Ein Hauptstadt-Korrespondent wettert in unserer Tageszeitung schon seit einiger Zeit gegen die Ungeimpften. Gestern las ich von ihm, dass offenbar nur noch diejenigen sich nicht impfen lassen, die sich `grundsätzlich verweigern, weil sie irren Verschwörungstheorien glauben oder Impfungen generell ablehnend gegenüber stehen´. Und bei denen helfe nur noch eins, nämlich eine Zermürbungstaktik– `als befänden wir uns im Krieg´, denke ich.
Drei Gründe führt er an: Die Geimpften fürchten sich vor einer Infektion durch die Ungeimpften. Die Ungeimpften verhindern, dass die Geimpften ihre Normalität wieder bekommen. Drittens müssen die Geimpften die `exorbitanten Kosten´ mittragen, die Ungeimpfte im Falle einer schweren Covid-19-Erkrankung verursachen.
Er findet daher, dass nicht weiter auf die Befindlichkeiten der Ungeimpften Rücksicht genommen werden könne. Es helfe nur, den Druck zu erhöhen – durch 2G, durch kostenpflichtige Tests, durchs Streichen der Lohnfortzahlung im Falle von Quarantäne. Zermürbungstaktik eben.
All das klingt, als würden sich Menschen nicht impfen, weil sie die Geimpften irgendwie ärgern wollen: Ließen sich mehr Leute impfen, ginge es den anderen Geimpften in jeder Hinsicht besser. Die Geimpften denken in dieser Diskussion offenbar sehr an sich – und die Ungeimpften sollten möglichst auch sehr an sie denken.
Es funktioniert: Mich zermürbt diese Denke, diese Schuldzuweisung, dieser ständig spürbare Druck, dieses Stigmatisieren. Ich bin ein bisschen wütend, aber – ganz ehrlich – eher traurig, dass wir hierzulande so mit Andersdenkenden umgehen. Die meisten Ungeimpften sind keine Verschwörungstheoretiker oder generelle Impfgegner. Sie haben andere Gründe, sich (vielleicht im Moment) nicht impfen zu lassen. Das scheint nicht mehr ihr gutes Recht zu sein, sondern Grund, sie fortwährend und immer massiver in die Ecke zu drängen. Es ist sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis der eine oder andere aufgibt – und sich doch impfen lässt. Das würde die Impfquote erhöhen, aber ich bezweifle, dass man das einen `Erfolg´ nennen sollte: Langfristig stärkt es eine Gesellschaft mehr, wenn man unterschiedliche Befindlichkeiten nicht ignoriert, sondern ernst nimmt.
PS: Unter `Zermürbungstaktik´ finde ich auf der Seite eines Anwalts folgende Sätze: „Sie glauben nicht, mit welchen Methoden man Arbeitnehmer zermürbt, sie bei der Arbeit solange madig macht, bis sie Fehler begehen, krank werden oder entnervt von selbst kündigen! Man nennt sie Zermürbungstaktiken, und sie sind im Standardrepertoire der fiesesten Arbeitgebertricks.“ (Alexander Bredereck, anwalt.de)