Egoistische Erwartung

Eine Freundin von mir will für neun Monate nach Amerika – sofern sie ein Stipendium dafür bekommt. Was ihr Mann dazu sagt, frage ich sie. „Das ist eine einzigartige Chance für mich. Ich erwarte, dass er nichts dagegen hat – alles andere wäre egoistisch. Er kann mich ja besuchen.“ Aha. Es stimmt: Die Chance für sie ist wahrscheinlich einzigartig, ebenso wie die Herausforderung für ihre Familie – auch wenn nur noch ein Kind zu Hause wohnt. Trotzdem scheint der Ehemann kein Mitspracherecht zu haben: Meine Freundin wünscht sich nicht nur sein `Ja´, sie erwartet es. 

Wie ich ihren Mann kenne, ließe er seine Frau auf jeden Fall ziehen – egal ob erwartungsgemäß oder freiwillig. Hinsichtlich der Zeit in New York ist es vermutlich egal, ob der eine Partner dem anderen einen Wunsch erfüllt oder sich einer Erwartung gemäß verhält. Für die Beziehung könnte es einen kleinen, aber feinen Unterschied bedeuten.

Natürlich ist es eine großartige Gelegenheit, ein drei viertel Jahr in New York leben und arbeiten zu können. Die neun Monate dort werden neu, spannend und abwechslungsreich sein – und sicherlich sehr schnell vergehen. Für die Zurückbleibenden bleibt der Alltag gleich, aber auch sie sind betroffen von der Amerika-Chance der Frau und Mutter. Deshalb ist es bei solchen Entscheidungen immer zu wünschen, gemeinsam eine gute Lösung für alle zu finden. Von vornherein zu erwarten, dass die eigenen Pläne abgenickt werden, halte ich dagegen für egoistisch.

Bedürfnisse und Wünsche

Eine Freundin wies mich kürzlich hin auf den feinen Unterschied zwischen Bedürfnissen und Wünschen:

Was ich brauche, muss sein; was ich mir wünsche, wäre schön.

Was ich brauche, bleibt ziemlich gleich – egal, wie es mir geht. Klar.
Was ich mir wünsche, vermehrt sich – je besser es mir geht. Komisch.