Oh, ich bin mit dem Fahrrad da!

„Oh, du bist mit dem Fahrrad da“, bedauert mich meine Kollegin, als es zu meiner Feierabendzeit stark regnet. Ja, denke ich, ich bin immer mit dem Fahrrad da; unser Auto ist mit meinem Mann unterwegs. Ich krame meine Regenhose hervor, mache mich ohne Selbstmitleid auf den Weg und denke leicht nostalgisch an meine Kindheit und Jugend. `Damals´ und im Osten der Republik besaßen die meisten Familien nur ein Auto; in meinem Heimatort fuhren viele mit dem Rad. Bei schlechtem Wetter war das natürlich einigermaßen lästig; aber so denkt man nicht über etwas nach, was eben so ist. Dafür sparte man Geld, und auf den Straßen war deutlich weniger los – beides schöne Nebeneffekte eines Normalzustandes.

Heute wohne ich absichtlich und sehr gern in einer Stadt, in der ich alle Wege mit dem Rad erledigen kann. Das ist für mich Anlass zu großer Freude; Frust über schlechtes Wetter hat daher eine geringe Halbwertzeit. Viel bedauerlicher fände ich es, wäre ich für meine alltäglichen Wege auf das Auto angewiesen.

Momentan wärmt manchmal die Sonne schon, die Vögel zwitschern und es riecht nach Frühling. Wenn ich Feierabend habe, geht mir daher meistens ein Gedanke durch den Kopf: „Oh, ich bin mit dem Fahrrad da!“ 

Zu kühl?

Am langen Osterwochenende genieße ich die freien Tage besonders und nehme mir zunächst nichts vor. Es ist Ende März; der Winter ist kalendarisch und auch sonst vorbei, aber das Wetter ist unberechenbar. Mit einer dicken Jacke wäre es zwar auszuhalten draußen, aber ich entscheide: Für Gartenarbeit ist es glücklicherweise noch zu kühl. Stattdessen schreibe ich Briefe, gehe laufen, backe einen Kuchen, bin still und genieße die Strukturlosigkeit eines (auch Familien-)freien Samstags.

Der Sonntag füllt sich von allein: Ausnahmsweise frühstücken wir wie in alten Zeiten zu siebt – besser könnte der Tag nicht anfangen – und gehen in den Gottesdienst. Den Tages-Ausklang bildet das erste Grillen für dieses Jahr. Dafür ist es zwar fast noch zu kühl, aber wir entscheiden: Mit einer dicken Jacke ist es auszuhalten auf der Terrasse.

Wo ein Wille ist, hat das Wetter gar nichts zu sagen!

Hin und Her und Hin

Hin: Morgens im Nieselregen fahre ich in voller Regenmontur mit dem Rad in die Stadt. `Wenigstens werde ich nicht nass´, denke ich und, `Mein heutiges Laufen fällt wohl buchstäblich ins Wasser!´. In dem Moment joggt jemand an mir vorbei und sieht weder klitschnass noch bedauernswert aus.

Her: Meine Sicht ändert sich schlagartig: Es ist gar nicht so kalt und regnet gar nicht so stark – von dem bisschen `schlechtes Wetter´ lasse ich mich sicher nicht vom Laufen abhalten. Für den Nachmittag nehme ich mir vor, nicht so zimperlich zu sein.

Hin: Am Nachmittag regnet es `volle Lotte´, der Wind bläst von allen Seiten – klassisches Angriffswetter. Über meine guten Vorsätze vom Vormittag schüttele ich den Kopf und setze mich stattdessen aufs Ruder-Ergometer: nicht ganz dasselbe, aber trocken und auch gut für Herz und Muskeln.

Wind und Wetter

Meine jüngere Töchter fährt morgens mit dem Rad in die Schule: Es regnet und hagelt, der Wind kommt aus allen Richtungen. Ihre ältere Schwester muss erst später hin und erwischt eine kurze Regenpause. Nach der zehnten Stunde kommen beide wieder durch herrliches Novemberwetter nach Hause – und sind zwar nass, aber fröhlich. Vor allem die Jüngere erzählt quietschvergnügt von der Hinfahrt mit ihren beiden Freunden: Einer fuhr ohne Schutzblech, so dass sich seine helle Hose binnen kürzester Zeit verfärbte – schlammbraun. Der andere war schon nass, als die anderen beiden (etwas verspätet) am Treffpunkt ankamen. Meine Tochter fand das alles dermaßen amüsant, dass sie (vom Lachen völlig außer Puste) darum bat, bitte langsamer zu fahren. Die beiden Jungen lehnten ab – weniger amüsiert als genervt. Also strampelte mein Kind laut lachend hinterher.

In der Schule angekommen waren alle drei klitschnass. Das tut mir leid. Andererseits freue ich mich über ihr gemeinschaftliches Radfahren; es erinnert mich an meine Schulzeit – weitgehend ohne Elterntaxis oder motorisierte Mitschüler. Außerdem bewundere ich den Galgenhumor meiner Tochter, der sie bei Wind und Wetter animiert zu atemberaubenden Gelächter.

Objektives und subjektives Wetter

`Alarmstufe Heiß´ lautet die Überschrift in einer Zeitung; daran an schließt sich ein kurzer Artikel zum heißesten Juli. Nicht dabei steht, für welchen Zeitraum diese Aussage gilt. Ein kurzer Blick ins Internet ergibt, dass wir in Deutschland seit 1881 systematisch das Wetter – oder zumindest die Temperatur – aufzeichnen. Wir erleben also den heißesten Juli seit gut 140 Jahren, ganz objektiv. Das klingt nach flirrender Hitze über den Feldern und unterm Dach, dem Geruch von frisch gedroschenem Getreide und vertrocknetem Rasen im Garten.

Subjektiv kann ich mich an heißere Sommer erinnern. Vielleicht war die Mitteltemperatur geringer, dafür aber längere Zeit gleichbleibend. Natürlich ist meine Empfindung weniger zuverlässig als konkrete Daten einer Wettererfassungsstelle, deswegen aber ebenso wahr: 2010 zum Beispiel durften meine damals noch jungen Kinder außergewöhnlich lange wach bleiben. Abends um acht war an Schlafen nicht zu denken. Ich ließ die Wäsche über Nacht draußen hängen und genoss den Wein auf der Terrasse erst, als es abends schon fast wieder dunkel wurde. Dieser Sommer dagegen ist verregnet, im Wettersprech: sehr nass. Die Wäsche trocknet draußen gar nicht und drinnen nur langsam; der Rasen wächst grün und üppig und ergibt selbst im Hochsommer eine reiche Mäh-Ernte. Ganz im Gegensatz zum Getreide, das hier in unserer Gegend auf dem Acker vergammelt und einfach nicht trocken werden will.

Das Wetter ist eine komplexe Geschichte; es lässt sich nicht nur mit bloßen Fakten und rein objektiv erfassen. Wissenschaftliche Analysen können helfen, ja; die konkreten Lebensbedingungen ausreichend beschreiben können sie nicht – und wie wir (ganz subjektiv) mit ihnen umgehen glücklicherweise auch nicht.

Ganz schönes Wetter

Langzeit-Wetterprognosen sind nicht 100-prozentig verlässlich, ich weiß. Dennoch konsultieren wir sie – und glauben ihnen oder eben nicht. Ich rechne fest damit, dass die Wetterfrösche Recht haben, wenn das, was sie vorhersagen, mir in den Kram passt. Werden dagegen meine Wetter-Erwartungen durch die Aussichten nicht erfüllt, hoffe ich darauf, dass langfristige Vorhersagen ohnehin nicht zutreffen.

In diesem Zusammenhang macht es mich ein bisschen wütend, dass es nächste Woche hier in der Heimat ganz schön und sonnig und warm sein soll. Denn ich werde nicht hier sein, sondern an einem anderen Ort, an dem es ganz schön wolkig und windig und kühl werden soll. Ich hoffe inständig – und wider besseres Wissen – darauf, dass meine WetterApp unzuverlässig ist. Aber ich ahne, dass meine Hoffnung unerfüllt bleiben wird; es wird uns gehen wie schon so oft im Sommerurlaub: Wir werden das Beste aus erträglichem Wetter machen müssen, während die Zurückbleibenden in der Heimat bestes Sommerwetter ertragen dürfen.

Bei Wind und Wetter? Von wegen!

Vor dem Supermarkt treffe ich einen Bekannten. „Du fährst bei Wind und Wetter Fahrrad!“ In seinen Worten schwingt eine gewisse Bewunderung mit – die ich diesmal nicht verdient habe: Es sind fast zehn Grad, kaum Wind, kein Regen(-Wetter). Was letztlich stimmt, ist: „Du fährst Fahrrad!“ Und das ist nun wirklich keiner Bewunderung wert. (Ich radle zwar auch bei Wind und Wetter, aber das ist eine ganz andere Geschichte!)

Kinder und Wetter

In anderen Landkreisen fällt heute wegen des Wetters die Schule aus – es drohen orkanartige Winde. Auch bei uns ist es stürmisch; von Entfall ist keine Rede. Die Kinder schauen morgens skeptisch aus dem Fenster. „Wir werden nicht ankommen, Papa, kannst du uns mit dem Auto bringen?“, fragen sie. „Ihr müsst den Lenker gut festhalten“, rät er ihnen. Sie kennen solche Ratschläge schon; das Auto ist keine Alternative, zu der wir schnell greifen. Im Winter heißt es: „Der Schnee ist gar nicht so tief“, und angesichts heftiger Regenfälle hat sich ein Satz mittlerweile zum `running gag´ entwickelt: „Das hört gleich auf!“ Also kämpfen die Kinder sich durch den Wind, schieben manchmal ein Stück des Weges durch den Schnee oder werden eben nass. Meist tragen sie unsere Entscheidung mit Fassung und schimpfen vor sich hin: „Wenn ich mal Kinder habe, werde ich das ganz anders machen!“ Warten wir´s ab.

Das Wetter

„Heute ist es widerlich draußen“, sagt eine Frau beim Bäcker zu mir. Ich habe dem nicht viel zu entgegnen: Es sind zwei oder drei Grad, es nieselt leicht – gemütlich ist es nicht. Die Kälte kriecht unweigerlich unter die Jacke. Aber es ist windstill und am Nachmittag hört der Nieselregen auf: Ich gehe laufen, ohne dass die Luft zu eisig ist für meine Atemwege.

Gestern dagegen war es deutlich kälter – zwei oder drei Grad unter Null. Trotz der Sonne blieben die Straßen den ganzen Tag über gefroren und glatt. Ich war spazieren und genoss die klare Luft, allerdings mit kalten Fingern. 

Das Wetter ist eine komplexe Sache und nie per se schlecht: `Zu kalt´ ist ebenso relativ wie `zu warm´; und das mit der richtigen Kleidung stimmt (wenn auch nur bedingt). Wichtiger ist, was man draußen tut – weil das Wetter dann nicht mehr die Hauptrolle spielt.

Klima-Wandel

In meiner Jugend war das Wetter entweder gut oder schlecht und insgesamt eine gegebene Größe.

Aus Sicht meiner Kinder ist das Wetter heutzutage entweder gut – und eine gegebene Größe – oder eine Zumutung.