Weniger ist mehr

Nächstes Wochenende ist Ostern. Seit Wochen beschäftigen sich alle möglichen Konsum-Prospekte genau damit: Osterhasen und Schoko-Eier, Zutaten zu Festessen, Eierlikör als besondere Beigabe … In manchen Familien stellen Oster-Geschenke mittlerweile den weihnachtlichen Gabentisch in den Schatten. Dabei ist das alles viel zu viel und lenkt ab vom Eigentlichen. Ostern geht´s um zwei einfache Dinge: um Kreuz und Auferstehung, um Tod und Leben – nicht mehr und nicht weniger.

Weniger ist mehr als zu viel!

`Auf zwei Hochzeiten kann man nicht tanzen´, heißt es, dabei stimmt das gar nicht: Man KANN schon, aber es ist oft keine gute Idee. Denn man wird weder dem ersten noch dem zweiten Gastgeber gerecht – und kommt im Zweifelsfall selbst auch nicht richtig in Stimmung. Ebenso ist es mit einem `zu viel´ an anderen Dingen: Freunde kann man angeblich nie genug haben, aber um zu viele kann man sich schlecht kümmern. Wer sich diversen Hobbys widmet, wird sich in keins richtig investieren. Und ich schätze, man selbst – oder mindestens die innere Balance – bleibt auf der Strecke, wenn man von Termin zu Termin oder Veranstaltung zu Veranstaltung hetzt.

Ein paar Menschen scheinen wie ein Schmetterling von einem Ereignis zum nächsten zu flattern. Aber auch sie brauchen Momente der Besinnung, damit sie nicht den oder das Wichtigste in ihrem Leben vernachlässigen. Selbst wenn wir es nicht hören wollen, bleibt es doch wahr: Unsere Ressourcen sind begrenzt – nicht erst im hohen Alter. Junge Leute haben absolut am meisten Energie und Schwung, setzen sie verschwenderisch ein und leben manchmal gefährlich nah am Limit. Menschen in der Lebensmitte machen ihre nachlassenden Kräfte wett mit Erfahrung und Ausdauer – und kennen und akzeptieren doch (vielleicht zähneknirschend) ihre Grenzen. Für einige meiner älteren Bekannten gilt: „The greatest freedom is having nothing to prove.“ Die größte Freiheit liegt darin, nichts mehr beweisen zu müssen. Das mag wie langweilig und wenig wirken, zeugt aber von mehr – Weisheit, Gelassenheit und Selbstbewusstsein.

Weniger ist mehr?!

Wer in wenigen Worten das Entscheidende sagt, wird gehört.
Großartigen Schauspielern reichen wenige treffende Gesten.
Ein Karikaturist illustriert mit wenigen wohl platzierten Strichen die Wahrheit.
Weniger unterschiedliche Akzente kreieren einen ansprechenden Stil.
Weniger reden und stattdessen aufmerksam Zuhören belebt wahrscheinlich jedes Gespräch.

Nur wenig ist nicht genug – so einfach ist es nicht: Manchmal ist weniger auch gar nichts.

Weniger reicht auch

10.000 Schritte pro Tag müssen es nicht sein, um seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun: 4.000 Schritte pro Tag reichen auch, ein `Etwas-mehr an Bewegung´ ist `bereits gesundheitlich wirksam´. Diese Erkenntnis entstammt einer Studie. Du meine Güte, das hätte ich ihnen auch sagen können, denke ich, aber auch: Welch eine unglückliche Meldung! Es ist erschreckend genug, dass etwas mehr Bewegung heutzutage schon als Investition in die eigene Gesundheit gilt – und empfohlen werden muss. Selbstverständlich sollte das sein und normal, hier bei uns im gesundheitsbewussten Deutschland. Aber, nein, da wird der körperverliebte, aber bequeme Mensch noch beruhigt, sich nicht mit 10.000 Schritten täglich abzuplagen: Das würde auch viel zu lange dauern, steht da, nämlich 80 bis 150 Minuten, die seien im Alltag kaum zu schaffen.

Ich sehe es ja selbst: Der Parkplatz vor dem Supermarkt steht voller Autos; viele davon kommen aus der Siedlung um die Ecke und gehören jungen bis mittelalten Menschen. Und, nein, nicht jeder der Fahrer tätigt hier seinen wöchentlichen Großeinkauf.

Wir gehen sie heute nicht mehr, diese 4.000 Schritte am Tag, und schon gar nicht die vorher `gültigen´ 10.000. Wir haben Wasch- und Spülmaschinen, Rasen- und Saugroboter, in manchen Berufen eine 35-Stunden-Woche. Trotzdem nutzen wir die dadurch eingesparte Zeit nicht dafür, um unserem Körper etwas Gutes zu tun. Stattdessen eilen wir mit dem Auto durch die Gegend – und sitzen dann vielleicht länger im Sessel oder was weiß ich denn. In Zukunft ohne schlechtes Gefühl, denn wir wissen: Weniger (Bewegung) reicht auch.

Weniger ist mehr

Ich fahre mitten in der Woche ganz früh zum Bäcker und bringe neben Brot spontan Brötchen mit. Die Kinder wecke ich mit einem geflüsterten „… frische Brötchen zum Frühstück“ und erhalte von allen ein verschlafenes Lächeln. Sie kommen nicht schneller aus dem Bett, aber sie genießen die erste Mahlzeit mehr als sonst. Hinterher sagt eine Tochter: „Weil wir so selten Brötchen essen, sind sie dann besonders köstlich.“ Recht hat sie! Dieser Genuss fällt unter `Lohn des Verzichts´: Weniger ist mehr – selbst bei frischen Brötchen. 

„Viel hilft viel“ oder „weniger ist mehr“?

„Viel hilft viel“, heißt es: Viel Liebe ist gut, ebenso viel Barmherzigkeit und Güte; auch Freundlichkeit, Geduld und Demut lassen sich kaum überdosieren. Für einige andere Dinge gilt dagegen „weniger ist mehr“: Salz und Zucker, Alkohol, Fett, aber auch Konsum, Ehrgeiz, Entschiedenheit … – schier endlos ist die Liste der Dinge, die man besser maßvoll einsetzen sollte.