Wandern (2)

Mein Mann und ich wandern gern zusammen. Es fällt uns leicht, uns auf ein Tempo, die Pausen und den Weg zu einigen – und darauf, wer im Zweifelsfall sagt, wo es langgeht. Wir schweigen viel und reden weniger. Manche Themen besprechen wir, mit anderen bleibt jeder allein. Ein paar Tage sind wir nur für uns zuständig und gewinnen mit der Zeit einen inneren Abstand zu aller Verantwortung, die wir sonst tragen.

Das Wandern ist eine gute Pause vom Alltag und eine ebenso gute Übung fürs Zusammenleben.

Wandern

In der letzten Woche haben wir zweimal dieselbe Strecke zurückgelegt: den West Highland Way in Schottland, knapp 160 Kilometer. Sechs Tage lang sind wir ihn von Süd nach Nord gewandert, jeweils etwa sechs bis zehn Stunden täglich. Am siebten Tag fuhren wir mit dem Bus zurück – in knapp drei Stunden.

Schöner war die Wanderung. Sie hat uns ein besseres Gefühl für die tägliche Strecke vermittelt und uns vorangebracht. Die Busfahrt dagegen schenkte uns einen super Überblick über die Gesamt-Etappe.

Mühselig haben wir uns Abstand verschafft – nicht nur räumlich, sondern innerlich auch vom Alltag. Das war wohltuend und erholsam für Knochen, Muskeln und Gedanken und dauerte seine Zeit. Ohne große Anstrengung und zügig kamen wir wieder zurück – mit dem Körper und wenig später auch mit dem Geist.

Wandern vorbei!

Vorbereitung (2)

Wir wollen in Schottland wandern. Dort ist es kühl, oft nass und das Gelände herausfordernd hügelig für Leute, die normalerweise im Flachland spazieren gehen. In „letzter Minute“ unternehmen wir ein bis zwei längere Übungswanderungen und ergänzen geringfügig unsere Wanderausrüstung. Für die Zeit unserer Abwesenheit instruieren wir die Kinder und organisieren „Babysitter“.

Außerdem kontrollieren wir – rein formal, nicht emotional – unser Testament: Man weiß ja nie.

Anders wandern

Ich stehe in einem Sportgeschäft an der Kasse. Die Kundin neben mir erkundigt sich nach diesen „ganz hochwertigen Wander-Shirts“, die Gerüche gar nicht annähmen. Ob sie die mit Merino-Wolle meine, fragt die Verkäuferin. Die Kundin nickt erfreut. Nein, die gebe es noch nicht, sie werden aber bald mit ins Sortiment aufgenommen. Derzeit bekomme man sie aber bei dem Outdoor-Laden zwei Straßen weiter. Ich stehe daneben und bin versucht zu sagen, dass das mit dem „nehmen Gerüche nicht an“ nicht ganz stimme – zumindest nicht, wenn man tagelang wandert. Bevor ich dazu komme, ergänzt die Verkäuferin von sich aus: „Die sind wirklich toll, die nehmen Gerüche wirklich nicht an. Ich trage sie selbst auch und wandere damit tagelang in den Alpen.“

Ich schweige verwundert und bin peinlich berührt. Hier weiß es zwar keiner, aber bei mir stimmt das nicht mit der optimalen Geruchsbindung. Vielleicht wandere ich falsch, zu intensiv oder so, ich weiß es nicht. Aber bisher ist es mir noch nie so gegangen, dass ich beim Wandern gern tagelang dasselbe Shirt angezogen hätte. Da kann noch so viel Merino-Wolle drin sein…