Vorurteil

Während ich auf dem Bahnsteig auf einen (verspäteten) Zug warte, sprintet ein junger Mann die Treppe hoch. Als er das leere Gleis erspäht, verzieht er enttäuscht sein Gesicht. `The train is running late!´, rufe ich ihm spontan zu. Es ist beruhigend gemeint, könnte jedoch missverstanden werden – schließlich sind wir in Deutschland. „Der Zug kommt später“, wäre angemessener gewesen. Zwar ist der junge Mann dunkler Hautfarbe und sind auch in unserer Stadt viele Migranten und Flüchtlinge unterwegs – aber beides MUSS nicht unbedingt miteinander zu tun haben. In diesem Fall liege ich richtig: Der Reisende kommt aus Ruanda und spricht (noch) besser Englisch als Deutsch. Während wir gemeinsam auf den Zug warten, reden wir über sein Herkunftsland, Deutschkurse, Studienmöglichkeiten …

Ich liebe die englische Sprache und freue mich über jede Gelegenheit, sie anzuwenden. Trotzdem ist es wahrscheinlich ein Vorurteil, das mich beim Anblick eines dunkelhäutigen Menschen spontan zum Englischen greifen lässt – wie unbewusst auch immer.