Relevant, tolerant oder doch intolerant?

MD steht für die Gesamtheit der allseits unbeliebten und teilweise sogar gefürchteten Erkrankungen um den Magen- und Darm-Bereich. Sie werden häufig durch verdorbene Lebensmittel ausgelöst. MD-Erkrankungen lassen bei Müttern kleiner Kinder die Alarmglocken schrillen, können Teenagern zurückfallen lassen in Kleinkind-ähnliche Abhängigkeiten von „Mama“ und sind zwar meist schnell vorbei, aber doch mehr als lästig. Relevante Maßnahme: Für die Ausbreitung von MD-Erkrankungen ist es nötig und hilfreich, dass ich vorsichtig und zurückhaltend bin bei verdorbenen Lebensmitteln und den Kontakt zu MD-auslösenden Viren auf ein Minimum reduziere.

MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) dagegen unterscheidet sich nicht nur durch einen Buchstaben von MD, sondern beschreibt etwas komplett anderes. Zum Verständnis: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine tolerant handhabbare Richtlinie, keine relevante Verhaltensmaßgabe. Ein aufgedrucktes Datum entbindet mich nicht davon, meinen Verstand zu benutzen und ein Lebensmittel (das vermeintlich abgelaufen ist), auf seine Verzehrbarkeit zu untersuchen.

Nehmen wir Milchprodukte: Ich hatte einige Zeit mit der Weiterverarbeitung von Milch zu tun und weiß, dass es dabei vor allem auf ein sauberes Arbeiten ankommt. Bestimmte Gär-Prozesse werden kontrolliert angestoßen und sind gewollt. Es bleibt jedoch nicht genau vorhersagbar, wann diese zu unerwünschten Faul- oder Schimmel-Prozessen werden. Zudem gilt: Ein noch verzehrbares Milchprodukt ist von einem nicht mehr verzehrbaren sehr gut zu unterscheiden. Relevant sind hierbei nicht das MHD, sondern Optik, Geruch und Geschmack. Es ist unnötig und nicht hilfreich, nur wegen dieses Datums einem Lebensmittel gegenüber vorsichtig und zurückhaltend zu sein und den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren.

Ein Lebensmittel, das nach dem aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum verzehrt wird, wird nicht automatisch (oder gar deswegen) eine Magen- und Darm-Erkrankung auslösen. In Kurzform: MHD ist irrelevant für MD.

Es mag intolerant klingen, aber ich sage es trotzdem: Es fehlt mir das Verständnis für Menschen, die auf Lebensmittel mit abgelaufenem MHD so reagieren wie auf MD-Erkrankungen.

Schlagseitig

Tolerant sollen wir sein. Gleichzeitig aber auch Profil zeigen. Das wird nicht nur von Politikern erwartet, sondern von jedem. Dabei ist es total schwer, eine gute Mischung zu finden. Eine, die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gerecht wird und mir selbst trotzdem eine eigene (klare) Meinung erlaubt. Leichter ist es, Schlagseite zu haben und auf der einen oder anderen Seite vom Pferd zu fallen: Der Alte Fritz schlug vor, jeder solle „nach seiner Fasson selig“ werden. Das funktioniert im echten Leben nur solange, wie meine Glückseligkeit die meines Nachbarn nicht ausschließt. Wenn der eine am Samstagnachmittag Steine für seine Hofeinfahrt flext, kann der andere eben nicht auf der Terrasse die Ruhe genießen. Und wenn man darüber nicht reden kann, ärgert sich einer und ist nicht selig.

Eine klare Position dagegen gilt schnell als arrogant. Besonders schwierige Pflaster sind Ausländer, die Lage in Israel und Palästina sowie gern auch Glaubensfragen. Leicht wird eine feste Überzeugung gleichgesetzt mit Intoleranz. Mich in komplexen Fragen zu positionieren, ist mutig, aber unpopulär und macht mich sehr angreifbar. Dabei ist die Schwierigkeit nicht die feste Überzeugung an sich, sondern inwiefern sie andere Sichtweisen zulässt. Halte ich die Spannung aus, auf keinen gemeinsamen Nenner zu kommen mit Menschen, die mir wichtig sind? Es kommt einem Drahtseilakt gleich. Sich oben zu halten, ist anstrengend, aber für die Beziehung gut. Leichter ist es abzustürzen – entweder die Differenzen unter den Teppich zu kehren oder im Streit zu enden. Das ist schlagseitig und tut der Beziehung nicht gut.