Ich habe einen Auswuchs am linken Schienbein. Dieser wurde vor langer Zeit als gutartiger Knochentumor diagnostiziert. Ich kann mit ihm leben; er schmerzt hin und wieder und nervt vor allem beim Rasieren. In den letzten Monaten spüre ich ihn verstärkt – beim Laufen. Grundsätzlich denke ich, mit gewissen Beeinträchtigungen muss man einfach leben. Mein gutartiger Knochentumor ist mir eher lästig, als dass er mich beunruhigt.
Eine meiner Töchter und mein Mann reden schon eine Weile auf mich ein, ich solle abklären lassen, ob sich dieses gutartige Gebilde verändert, und haben mich zu einem Arzttermin überredet. Während ihrer Überzeugungsarbeit ist es mir selbst immer dringlicher geworden, das Ganze abklären zu lassen. Der Orthopäde hat geröntgt und mich zum MRT überwiesen. Diese Untersuchung ist aufwendig, die dafür verwendeten Geräte sind teuer: In der Röhre schon fragte ich mich, ob das alles nötig ist. Danach die (beruhigende) kurze erste Aussage des Radiologen: „Treiben Sie Sport? Tut es vor allem unter Belastung weh?“ Mein gehauchtes „Ja!“ beantwortet er mit einem gemurmelten (oder genervten?): „Ich kann auf der Aufnahme nichts sehen, wahrscheinlich Tibia-Vorderkanten-Syndrom, Sie haben nichts.“
Ich fahre nach Hause. Beruhigt – und beschämt. Deswegen bin ich zum Arzt gegangen? Zu zwei Ärzten sogar! Röntgenaufnahme, MRT, Gespräche mit beiden Medizinern – und demnächst habe ich noch einen weiteren Termin beim Orthopäden, wenn dieser den Befund erhalten hat. Meine Oma wäre wegen solch einer Lappalie nicht zum Arzt gegangen, wahrscheinlich hätte sie die Schmerzen an sich überhaupt nicht erwähnt. Nächstes Mal behalte ich meine körperlichen Zipperlein für mich. Manches davon ist altersbedingt: Wenn es nicht von allein wieder weggeht, muss man damit leben. Ich bin hinterher so schlau wie vorher!