Währenddessen und hinterher

Es ist tage- und nächtelang sehr kalt; die Luft ist klar, die Sonne scheint. Ich ziehe alles übereinander, friere doch und denke: Etwas wärmer wäre schön. Heute Morgen ist es etwas wärmer; die Luft hängt voll Feuchtigkeit, der Himmel ist bewölkt. Ich friere und denke: Kälter wars schöner.

Währenddessen ist´s selten perfekt – hinterher ist man immer schlauer.

Schlau

Manchmal rätsele ich, was mit „klug“ gemeint ist und wie wichtig der Intellekt ist. Abgesehen von meinen Eltern habe ich sicherlich am meisten von dem Zusammensein mit meinen Omas profitiert. Meine Opas waren beide schon verstorben, als ich auf die Welt kam – wie in dieser Kriegsgeneration häufig. Deshalb haben meine Omas eben einfach alles gemacht, was so anfiel: gearbeitet, Kinder großgezogen, Enkelkinder verwöhnt. Sie hatten keine karriereförderlichen Ausbildungen gemacht oder großartige Berufe ausgeübt – eine war Schneiderin, eine Sekretärin beim Rechtsanwalt. Sie waren beide großartig in der Küche, machten unwahrscheinlich viel selbst – und holten sich auch ohne Scheu Hilfe, wenn sie allein nicht weiterkamen.

„Liebe Seele, hab` Geduld, es haben alle beide Schuld“, war ein lapidarer Spruch, der immer mal aus dem Mund meiner Oma purzelte. Wahrscheinlich ist es kein besonders kluger Ausspruch, aber ich empfinde ihn als weise. Es ist eine dieser Lebensweisheiten, die man nicht aus Schulbüchern oder auf Universitäten lernen kann. Dafür braucht es Menschen mit Erfahrung, und das waren meine Omas. Sie machten nicht viele Worte. Es reichte aus, mit ihnen zusammen zu sein, um zu verstehen:

dass Familie wichtig ist und Freunde auch,
dass man manchmal einfach klaglos tun muss, was zu tun ist,
dass es keine Schande ist, sich die Hände schmutzig zu machen,
dass man demjenigen hilft, der allein ist und unbeholfen,
dass das Leben schön sein kann – auch wenn es ganz einfach ist,
dass man dankbar sein kann für ganz viel – auch wenn man nicht die halbe Welt gesehen hat,
dass es Spaß macht, andere zu bewirten, zu beschenken, zu beachten, zu begleiten (und man dafür nicht finanziell reich sein muss),
dass auch die anstrengenden Menschen in unserem Umfeld Respekt verdienen,
dass gemeinsame Mahlzeiten etwas Wunderbares sind,
dass `allein´und `einsam´ zwei unterschiedliche Dinge sind,
dass Traurigkeit und Verlust zum Leben dazu gehören,

und eben auch, dass Konflikte selten nur einen Urheber haben.