Engagiert trifft sachlich

Ein Freund bittet mich, einen Bekannten zu fragen, wie zufrieden dieser mit einem bestimmten Arzt ist. Ich rufe meinen Bekannten an und erfahre (ausführlich) nur Gutes. Entsprechend schreibe ich eine längere Textnachricht an meinen Freund. Ich berichte alles (ausführlich) und wünsche ihm Klarheit dabei, wie er sich entscheidet (OP oder nicht OP). Seine Antwort kommt schnell, sie ist kurz und knapp: „Danke für die Information, das hilft.“

Ich weiß, dass damit alles gesagt ist, aber mir fehlt ein bisschen `drumherum´. So geht es mir jedes Mal, wenn ich innerlich engagiert erzähle und mein Gegenüber rein sachlich antwortet. Ich erlebe das öfter; es irritiert mich immer wieder.

Ganz sachlich

Es fällt mir schwer, ganz sachlich über etwas zu schreiben – schon verkehrt. So kann man nicht anfangen, wenn man ganz sachlich bleiben möchte. Schwerfallen ist kein Wort für einen sachlichen Text. Nochmal.

Rein sachliche Aussagen wirken oft blutleer und flach, ihnen fehlt die Tiefe. Dennoch können sie wahr sein und richtig und damit kaum anfechtbar – ein bisschen wie Menschen, die sich korrekt verhalten, das Gesetz beachten und allgemeine Regeln befolgen. Das funktioniert eine Weile sehr gut, in der Auseinandersetzung mit lebendigen Menschen wird es allerdings irgendwann schwierig. Ich jedenfalls weiß nicht, wie man so durch´s Leben kommen kann, aber es muss gehen. Oder?

Und schon wieder habe ich nicht sachlich geschrieben, sondern wertend – alles, was da steht, klingt ein wenig ab-wertend. Bin ich deswegen kein sachlicher Mensch?

Männern wird nachgesagt, eher die sachlichen Typen zu sein, Emotionen gar zu vernachlässigen. Ob das immer so stimmt, vermag ich nicht zu sagen; aber meine Erfahrungswerte bestätigen es in vielen Fällen. (Deshalb sind Männer auch völlig aufgeschmissen, wenn es um weinende Frauen geht, um unlogische Argumentationsweisen – und nebenbei gesagt auch um Einkaufzettel, auf denen nicht alles drauf steht, was aber ein anderes Thema streift.) Sachargumente sind oft schwerwiegend in Diskussionen. Es gibt Menschen (Männer?), die behaupten, ohne erwiesene Argumente könne man nicht miteinander diskutieren. Da fehle dann die Grundlage, sagen sie.

Auf der anderen Seite der Skala befindet sich – wer? Der emotionale Typ? Was macht den aus, wie erkennt man den? Ich glaube, das stimmt nicht: emotional ist nicht das Gegenteil von sachlich, unsachlich ist das Gegenteil von sachlich – und das hat vor allem mit negativen Emotionen zu tun.

Unsachlich also, was ist unsachlich? Wenn man mal so, mal so argumentiert? Wenn man andere nicht ausreden lässt? (Wie heutzutage in so mancher Talkshow nicht nur üblich, sondern geradezu nötig, falls man überhaupt zu Wort kommen möchte.) Wenn man lügt und alle möglichen Register zieht, um in einem Gespräch als Sieger hervor zu gehen? Unsachlich hat viele Varianten – von perfide, fast unmerklich bis hin zu offenbar und rücksichtslos, und ich weiß nicht, welche die schlimmste ist. Hinterher bleibt dann ein schales Gefühl zurück, ein G´schmäckle, wie der Schwabe sagen würde. Eins fühlt es sich jedenfalls nicht an – gut.

Wobei wir beim Fühlen sind: Empathische Gespräche gibt es nämlich auch noch, die sind aber viel schwieriger. Da geht’s dann weniger ums Faktentauschen als ums Reden, Zuhören und im Grunde um Beziehungsbau. Das ist auch nicht jedermanns Sache und ganz schön schwer. Fakt ist: Es sind die Austausch-Runden am besten, in denen beides vorkommt: klare Kommunikation der Fakten, Empathie für den Gesprächspartner, dranbleiben, nicht zurückziehen, wenn´s schwierig wird, Kritik hören wollen und annehmen, Emotionen wahrnehmen und zugeben. Persönlich anwesend sein, aber nichts persönlich nehmen, dem anderen Raum geben.

Was lehrt mich dieser Text? Nur „sachlich“ schreiben kann ich nicht so gut, und bei den empathischen Gesprächen habe ich noch Luft nach oben.