Rückmeldung schmeckt nicht immer

Ich kann keine Knöpfe annähen, ich kann im Grunde überhaupt nicht nähen – jedenfalls nicht schön. Mit Finanzamt-Dingen beschäftige ich mich nicht gern; und Dekorieren ist weder meine Gabe noch meine Leidenschaft. Außerdem fällt es mir schwer, Geheimnisse für mich zu behalten – obwohl ich darin schon besser geworden bin. Sprich: In gewissen Bereichen bin ich talentfrei; wer dennoch behauptet, ich machte das „super“, erzählt Quatsch. Derartige Falschaussagen bewirken in mir keinerlei Anstrengung, mich zu verbessern. Was mich weiterbringen würde, wären eine ehrliche Rückmeldung und das Angebot, mir zu helfen: Jemand, der mir das richtige Nähen zeigt, die Ablage von Rechnungen mit mir zusammen macht, mich beim Dekorieren über seine Schulter schauen lässt und meine Verschwiegenheit einfordert.

Rückmeldung, die etwas bringen soll, muss ehrlich sein – und ein bisschen schonungslos. Das gilt nicht für ganz kleine Kinder; bei denen läuft mehr (bis alles) über Ermutigung: Selbst wenn ein gemalter Hund eher aussieht wie ein Wirbelsturm – egal. Ganz kleine Kinder dürfen fürs „Nichtskönnen und trotzdem Probieren“ gelobt werden! Aber irgendwann muss das aufhören, sonst werden wir zu nichts könnenden Erwachsenen – das will keiner.

Ich gebe gern zu, dass ich nicht gut nähen kann, keinen Plan habe von ordentlicher Akten-Ablage und mir der Sinn (und die Lust) fürs Dekorieren fehlt. Wenn mich jemand sachlich darauf hinweist, trifft mich das nicht emotional. Denn: Dass ich nicht gut nähen kann, macht mich nicht zu einem unfähigen oder nicht liebenswerten Menschen. Es macht mich zu jemandem, der nicht näht oder es üben müsste, um es gut zu können. Mehr nicht.

Bezogen auf Charakterschwächen aber fühle ich mich durch kritische Rückmeldung leicht persönlich herausgefordert: `Ich bin nicht verschwiegen genug?´, denke ich und ärgere mich – über mich selbst und über die klare Aussage des anderen. Sie schmeckt mir nicht, diese ehrliche Rückmeldung. Aber sie motiviert mich, mein Verhalten tatsächlich zu verändern – in diesem Fall mit (nicht) hörbarem Ergebnis.

Rückmeldung

Menschen begegnen uns nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Wahrscheinlich passiert das jedem – nur gehen wir sehr unterschiedlich damit um. Mich verunsichert es zum Beispiel schnell, wenn meine wie auch immer geäußerte Meinung ohne Rückmeldung bleibt. Dann frage ich mich, ob ich zu konfrontativ war oder meine Meinung überhaupt interessiert. Leicht rechne ich dann mit einer ablehnenden Reaktion – sie würde mich jedenfalls nicht wundern; eine positive sorgt dagegen für Erleichterung.

„Woher kommen diese Selbstzweifel?“, frage ich mich. Wieso rechne ich bei Schweigen eher mit einer Ablehnung als damit, dass Menschen grundsätzlich nicht schnell oder gar nicht reagieren? Ich selbst antworte fast immer und meist sehr zeitnah. Es rührt eventuell daher, dass ich in einer Welt aufgewachsen bin, in der es persönlichen Kontakt gab und Briefe. Nur wenige hatten dazu noch ein Telefon – und wenn doch, dann ohne Display oder Anrufbeantworter. Absprachen erfolgten zum Großteil direkt und beruhten auf einem Hin UND Her. Anders waren Beziehungen schwer aufrechtzuerhalten.

Heute kann ich mich vom heimischen Sofa aus über irgendein Kommunikationsmedium irgendwann bei irgendjemandem melden – eventuell sogar gleichzeitig bei mehreren Personen. Dass nicht jeder gleich oder überhaupt darauf reagiert, mag den meisten Menschen egal sein. Mir nicht!

Rückmeldung

Ein Freund gibt positive Rückmeldung – er nimmt Anteil, ist interessiert, ermutigt, tröstet und versteht.
Ohne diese Rückmeldung fühle ich mich nicht liebenswert oder wertgeschätzt.

Ein Freund gibt kritische Rückmeldung – er darf und wird korrigieren.
Ohne diese Rückmeldung benehme ich mich schnell daneben.

Ohne Freunde fehlt mir etwas.