Woran liegt´s?

Heute wollte ich Rasen mähen. Wir haben einen Benzinmäher, den man von Hand starten muss. Normalerweise gelingt mir das ohne weiteres; ich weiß auch, wozu es einen Choke gibt. Heute ging es nicht. Choke an, Choke aus, nichts tat sich. Meine Versuche wurden verzweifelter, mein Arm erlahmte, mein Herz schlug wie nach einem Sprint, vor allem aber steigerte sich meine Wut.

Ich dachte:
Es kann nicht sein, dass ich zu schwach bin, einen Benzinrasenmäher zu starten. (Der Tank war voll, DAS hatte ich gecheckt.)
Das wäre ja wohl gelacht, dass ich den Mäher nicht anbekomme.
Ich schaff` das, ich schaff`das – wieso schaffe ich das nicht?

Ich fühlte:
Erstaunen, Wut, Ärger, Frust, Verzweiflung.

Ich war:
Ratlos. Ich wusste nur – es liegt an mir.

Als mein Ältester später nach Hause kam, machte er mir den Mäher an und winkte mich zu sich. Mit einem Lächeln: „Mama, das ist mir letztens auch passiert, sonst hätte ich es auch nicht gewusst – der Benzinhahn war zu.“ Ganz hilfsbereit, lieb und freundlich.

Ich hab´ dann den Rasen gemäht.

Im Nachhinein frage ich mich zwei Dinge.
Erstens: Wieso bin ich nicht selbst draufgekommen? Vor Jahrzehnten machte ich ein einjähriges Praktikum auf einer LPG im Brandenburger Land, da gab es auch Benzinhähne oder Dieselschalter – ich hätte es wissen können!
Zweitens: Was hätte ein Mann gemacht? Ich behaupte, ein Mann hätte viel früher seine erfolglosen Startversuche eingestellt und nach dem Fehler (in dem Fall dem Hahn) gesucht. Ein Mann hätte gewusst – es liegt nicht an mir.

Abbitte fürs Rasenmähen

Wir haben zwei Bäder. Eins putzen die Eltern, eins die Kinder. Die Standards für „vorher“ und „nachher“ sind klar festgelegt und leicht kontrollierbar. Bisher dachte ich, das gelte auch fürs Rasenmähen. Darum kümmern sich seit einigen Jahren die beiden großen Söhne – 17 und 15 Jahre alt. Angesichts eines bevorstehenden Auswärts-Wochenendes beschloss ich kürzlich, „mal eben schnell“ für sie den Rasen zu mähen. Mit einer dreiviertel Stunde habe ich gerechnet, gedauert hat es doppelt so lang. Aber ich habe noch viel mehr verstanden: Beurteile nicht die Arbeit eines anderen, wenn du nicht um die Schwierigkeiten weißt, die auftreten können.

Viel Moos haben wir im hinteren Teil. Da wächst dann zwar kaum Rasen, aber Moos wächst, verstopft den Mäher, bleibt liegen (trotz des Auffangkorbes) und nervt einfach unheimlich. Mehrere Lösungsansätze bieten sich an. Man kann öfter den Korb leeren, langsamer drüber mähen, immer wieder den abgesoffenen Mäher neu starten: Das mehrfache Starten des Dieselmotors sorgt dann gleich auch für eine Stärkung der Oberarmmuskulatur. Man kann aber auch einfach den Mäher auf „ganz lang“ stellen. Das probate Mittel für Teenager ist die letzte Lösung.

In der Vergangenheit hat mich das geärgert: „Könnt ihr nicht ein bisschen kürzer mähen, könntet ihr hinten bitte auch mit Korb mähen, würdet ihr das mit dem Rasenmähen bitte ernsthafter und sorgfältiger betreiben!!!“ Nach dem heutigen Morgen weiß ich, dass selbst ein gründlicher Typ Mensch gern Prinzipien über den Haufen werfen würde, wenn der Leidensdruck zu hoch wird – und sich vor allem die Sinnhaftigkeit von Gründlichkeit nicht ohne weiteres erschließt. Zwar habe ich kurz gemäht, zwar habe ich hinterher abgeharkt, in Säcke gestopft, was da an Grünzeug lose auf dem Rasen lag, aber: Tut das dem Rasen gut? Geht es dadurch nächste Woche besser? Wird sich das Moos auf wundersame Weise in Luft auflösen oder in mähbaren Rasen verwandeln? Oder hat das alles einfach nur lange gedauert, mich sehr angestrengt und meine Laune nicht unbedingt beflügelt?

„Geschafft!“, sage ich mir, ein schön gemähter Rasen ist da jetzt von der Terrasse aus zu bewundern, für mein Herz und meine Lungen war diese Form der körperlichen Betätigung sicherlich sehr gesundheitsfördernd. Meine Teenager-Söhne finden „geschafft“ auch nach der Hälfte der Zeit wunderbar, erfreuen sich am kurzgeschorenen Rasen nicht mehr als an dem, auf dem die Gänseblümchen noch blühen und finden Herz- und Kreislauf-Ertüchtigung nur mit Ball schön beziehungsweise ganz und gar unnötig.

Ergo? Wenn sie das nächste Mal den Rasen mähen, werde ich bewundernd und lobend zugegen sein, ermutigend auch und sehr, sehr dankbar.