Ein Mensch – zwei Rollen

Bei der Arbeit zählen vor allem meine Fähigkeiten. Ich bin emotional nicht für andere verantwortlich und entsprechend unabhängig. Am Ende gehe ich nach Hause und weiß: Im Notfall kann ein anderer meinen Job übernehmen.

Zu Hause ist vor allem meine Beziehungsfähigkeit gefragt, und die kennt keinen Feierabend. Was ungeklärt ist, kann manchmal auch bis morgen warten – aber irgendwann muss ich mich darum kümmern.

Wahrscheinlich bin ich überall ersetzbar. Aber privat ist es ungleich schwieriger als beruflich.

Privat

Ich schlüre über einen Wohnmobil-Campingplatz und kann den Urlaubern ins Schlafzimmer schauen und auf den Küchentisch. Eine Frau säbelt in aller Ruhe die Hornhaut an ihren Füßen ab. Schlafen, essen, Körperpflege und Freizeit – das (Urlaubs-)Leben ist jedermann zugänglich: Camper sind ganz öffentlich privat.

Öffentlich oder Privat

In ein ehemaliges Autohaus in der Stadt ist ein neues Fitness-Studio eingezogen: Die Laufbänder stehen direkt vor großen Fenstern, die zur Straße weisen. Wenn ich dort vorbei radele, schaue ich den Trainierenden in ihre mehr oder weniger angestrengten Gesichter – und finde das jedesmal komisch. Es kommt mir so vor, als würde ich bei etwas Privatem zuschauen. Ich laufe ebenso öffentlich einsehbar durch Feld, Wald und Wiese … , aber irgendwie fühlt sich das anders an.