Fern und nah zugleich

Vor drei Wochen schrieb ich eine Mail an meine Freundin in Australien – was bei uns so los ist und wie es mir damit geht. Weil ihr Computer `on the blink´ (= kaputt) war, kommt ihre Antwort zwar erst heute, aber ebenso ausführlich.

Wir wohnen auf verschiedenen Kontinenten; sie lebt einfacher und mehr mit der Natur verbunden als ich und achtet viel stärker auf ihren ökologischen Fußabdruck. Andererseits ähneln sich unsere Erfahrungswelten: Wir sind im selben Alter, haben Kinder, arbeiten (neuerdings) beide Teilzeit und sind ansonsten mit Haus und Hof sowohl gut beschäftigt als auch sehr zufrieden. Entsprechend kann sie meine Gedanken nachvollziehen und ich ihre; ich freue mich über ihren ausführlichen Bericht. Am Ende schreibt sie: “Please take care of yourself amidst all the good things you do. Thank you for keeping in touch Dagmar.“ (Pass auf dich auf inmitten all der guten Dinge, die du machst. Danke, dass du dich gemeldet hast.) Wir sind innerlich verbunden, auch wenn äußerlich 17.000 Kilometer zwischen uns liegen.

Nähe

Ich fühle mich den unterschiedlichsten Menschen nah – manchmal kenne ich sie gar nicht persönlich. Das ist eine Nähe, die Raum und Zeit überwindet, rein geistiger Natur: Da spricht mich ein Schreibstil an, bringen mich Ideen zum begeisterten Nicken, schätzt ein Autor, den ich mag, denselben Pastor wie ich – und ich fühle mich demjenigen nah, vertraut, wünschte mir die menschliche Begegnung manchmal, um das, was ich an Nähe denke, auch wirklich zu erleben. Das Internet macht es möglich, dass ich ein Bild vor Augen habe und Leute auf der Straße freundschaftlich grüßen würde, die mich aber gar nicht kennen.

Würde mir jemand einen Wunsch freistellen oder zwei oder drei – ich wünschte mir Begegnungen mit diesen Menschen, die so viel für mich bedeuten, von denen ich mich verstanden fühle, für die ich aber gar nicht existiere und die ich letztlich nur zu kennen meine. Vielleicht ist es ein Segen, dass mir keiner einen Wunsch freistellt: Ich weiß nicht, ob die tatsächliche Begegnung der Vorstellung in mir standhalten würde.