Ein
Freund schenkte mir ein Buch – den Bericht über eine Lebensreise.
Ich könne es „als Inspiration für meine nächste Reise
verstehen“, hieß es in seinem Begleitbrief. Noch habe ich das Buch
nicht gelesen, aber ich ahne, dass des Autors Mut, Risikobereitschaft
und Abenteuerlust in einer anderen Liga anzusiedeln sind als meine
eigenen: Länder wie der Irak, Afghanistan oder der Libanon stehen
nicht auf meiner bevorzugten „to-go“-Liste. Dem freundlichen
Buchschenker gegenüber gab ich ein wenig kleinlaut zu, nicht so
mutig und risikobereit wie der Autor zu sein. Trotzdem bedankte ich
mich für den Inspirationsversuch – und freue mich ehrlich auf die
Lektüre.
Nach
weiteren Überlegungen frage ich mich, ob man Mut überhaupt
vergleichen und bewerten kann: Jeder hat eine andere Komfortzone, die
zu verlassen nicht so leicht ist. Die eine wandert allein durch
England oder radelt quer durch Norddeutschland. Der andere erkundet
Millionen-Metropolen in Fernost. Und die Nächste arbeitet
selbständig auf einer Alm mit allen Konsequenzen und
Zuständigkeiten, die dazugehören. Zu allem gehört Mut, aber
wieviel? Jedes „Abenteuer“ erfordert, dass man sich etwas Neues,
teilweise Unbekanntes zutraut und zumutet. Für jede dieser „Reisen“
zwingend notwendig ist die Bereitschaft, sich auf Situationen
einzulassen, die uns über das Vertraute hinaus herausfordern.
Ich mag tatsächlich nicht sehr mutig sein, aber das ist es nicht, was mich von einer Reise in den Libanon abhält: Fast ebenso unattraktiv wie die Rucksackreise durch eine Krisenregion erscheint mir persönlich eine exklusive Kreuzfahrt oder der sturmgeprägte Segeltörn über den Atlantik. Für all das fehlen mir nicht der Mut und der Sinn fürs Abenteuer, sondern schlicht und ergreifend die Lust.