Von Macht, Mut und Zahnschienen

Vor 15 Jahren bekam ich eine Zahnschiene gegen Rückenschmerzen und trug diese zunächst 23/7. Seitdem habe ich meine Rumpfmuskulatur gestärkt und keine weiteren Kinder mehr bekommen. Die Rückenschmerzen von damals sind Geschichte; aber die Schiene trage ich aus Gewohnheit noch immer – allerdings nur nachts. Dennoch amüsiert sich mein Mann in regelmäßigen Abständen darüber, wie beharrlich ich daran festhalte: aus seiner Sicht sinnfrei.

Ob die Schiene überhaupt noch einen Effekt habe, fragt er sich – und auf Nachfrage gelegentlich auch mich. Ich weiß es nicht; ohne Ausprobieren kann ich es gar nicht wissen! Was würde passieren, wenn ich die Zahnschiene von heute auf morgen Nacht wegließe? Vielleicht funktioniert mein Rücken ebenso weiter wie bisher. Oder eben auch nicht; niemand kann das vorhersagen. Steter Tropfen höhlt den Stein, und der leise Spott meiner besseren Hälfte erschüttert meinen Stoizismus. Noch gehorche ich der Macht der Gewohnheit, aber die Versuchung zum Mut zur Lücke wird stärker. Am liebsten wäre es mir, der Zahn der Zeit würde mir die Entscheidung abnehmen. Aber offenbar habe ich ein dentales Qualitätsprodukt erwischt!

Genug Mut?

Grundsätzlich hätte ich gern mehr Mut.
In manchen Situationen fehlt mir eher Lang-Mut.
Gut gebrauchen könnte ich Sanft-Mut – anderen und mir selbst gegenüber.
Es mangelt mir an De-Mut, aber ich bin stolz auf das, was da ist.
Nur Hoch-Mut habe ich mehr als ausreichend.
Oh je!

PS: Den Über-Mut meines Sohnes bewundere und fürchte ich zugleich.

Inspiration (1): AbenteuerLust

Ein Freund schenkte mir ein Buch – den Bericht über eine Lebensreise. Ich könne es „als Inspiration für meine nächste Reise verstehen“, hieß es in seinem Begleitbrief. Noch habe ich das Buch nicht gelesen, aber ich ahne, dass des Autors Mut, Risikobereitschaft und Abenteuerlust in einer anderen Liga anzusiedeln sind als meine eigenen: Länder wie der Irak, Afghanistan oder der Libanon stehen nicht auf meiner bevorzugten „to-go“-Liste. Dem freundlichen Buchschenker gegenüber gab ich ein wenig kleinlaut zu, nicht so mutig und risikobereit wie der Autor zu sein. Trotzdem bedankte ich mich für den Inspirationsversuch – und freue mich ehrlich auf die Lektüre.

Nach weiteren Überlegungen frage ich mich, ob man Mut überhaupt vergleichen und bewerten kann: Jeder hat eine andere Komfortzone, die zu verlassen nicht so leicht ist. Die eine wandert allein durch England oder radelt quer durch Norddeutschland. Der andere erkundet Millionen-Metropolen in Fernost. Und die Nächste arbeitet selbständig auf einer Alm mit allen Konsequenzen und Zuständigkeiten, die dazugehören. Zu allem gehört Mut, aber wieviel? Jedes „Abenteuer“ erfordert, dass man sich etwas Neues, teilweise Unbekanntes zutraut und zumutet. Für jede dieser „Reisen“ zwingend notwendig ist die Bereitschaft, sich auf Situationen einzulassen, die uns über das Vertraute hinaus herausfordern.

Ich mag tatsächlich nicht sehr mutig sein, aber das ist es nicht, was mich von einer Reise in den Libanon abhält: Fast ebenso unattraktiv wie die Rucksackreise durch eine Krisenregion erscheint mir persönlich eine exklusive Kreuzfahrt oder der sturmgeprägte Segeltörn über den Atlantik. Für all das fehlen mir nicht der Mut und der Sinn fürs Abenteuer, sondern schlicht und ergreifend die Lust.