Keine große Sache

Auf Äpfeln aus dem Supermarkt klebt oft ein kleines Schild – meiner Meinung nach unnötig, aber nicht zu ändern. In jedem Fall muss das Schild abgezogen werden, bevor man den Apfel waschen und essen kann. Es gehört in den Müll; das ist keine große Sache. Dennoch finde ich diese Schildchen fast täglich irgendwo anders: auf der Arbeitsplatte direkt neben der Spüle, auf einem benutzten Frühstücksbrettchen, an der Klinke der Kellertür. Es ist einerseits faszinierend, wie konsequent die Kinder sich der Müllentsorgung in diesem Fall verweigern. Sie wählen den Weg des geringsten Aufwands. Andererseits ist es frustrierend, wie konsequent die Kinder die Müllentsorgung in diesem Fall jemand anderem überlassen – meistens mir. 

Ich sollte die Schildchen konsequent ignorieren, bekomme das aber nicht hin. Es macht mir weniger aus, den Kindern ihren Müll hinterher zu räumen, als den Müll der Kinder in meinem Wohnraum zu ertragen. Konsequent wäre es, die Schildchen direkt in die Zimmer der Kinder zu bringen – so wie ihre anderen Besitztümer, die sie anstrengungslos fast täglich irgendwo liegen lassen. Allerdings scheinen meine (Auf-)Räumaktionen meine Kinder NICHT zu beeindrucken; und der Weg zum Mülleimer ist für mich kürzer. Also entsorge ich die Schildchen selbst, es ist keine große Sache: Ich wähle den Weg des geringsten Aufwands.

Ist das Standard oder kann das weg?

„Ich hoffe, dass es keine `Beauty-Standards´ mehr gibt, wenn ich mal Kinder habe“, sagt meine Tochter beim Frühstück. Sie hat momentan ständig Hunger, isst und verändert sich – und fühlt sich wohl in ihrer Haut. Ihrer Meinung nach sind Schönheitsideale einfach nur anstrengend und sehr willkürlich: Bei Rembrandt galten üppige Kurven als wunderbar. Später war die Wespentaille populär, vor nicht allzu langer Zeit eine sehr schmale Hüfte beziehungsweise superschlanke Körper mit großem Busen; auch magere Körper galten schon als erstrebenswert. Heutzutage wollen junge Frauen möglichst muskulös sein – merkwürdigerweise vor allem am Po.

Die Details ändern sich immer schneller; aber hartnäckig hält sich ein scheinbar ideales Frauenbild auf den Litfaßsäulen (und wahrscheinlich in den Köpfen vieler Mädchen). In der Realität finden sich dagegen nur wenige langbeinige, vollbusige Frauen mit wohldefinierter Taille und makelloser Haut. Der Normalfall hat verschiedene Gesichter – und jede Frau ihre ganz eigenen Proportionen: wenig oder viel Busen, gepaart mit manchmal schmalen, manchmal breiten Hüften und langen oder kurzen Beinen. Nur einige glänzen von Natur aus mit muskulösen Gliedmaßen; bei den meisten zeichnet sich der Bizeps nicht ab.

Leider sind viele (junge) Frauen unzufrieden mit ihrem `Normal´, weil sie abweichen von dem heute geltenden `Ideal´. Es kostet Kraft, immun zu bleiben gegenüber den unablässigen Einflüsterungen der Mode-Branche. Das weiß auch meine Tochter. Daher wünscht sie sich die Beauty-Standards dahin, wo sie hingehören – auf den Müll.

Nachhaltig

Neue Autos fahren mit weniger Sprit als alte, neue Handy-Akkus halten länger als alte, und neue Häuser sind energie-effizienter als alte. Trotzdem kaufen sich nicht alle Menschen neue Autos, ein neues Handy oder bauen sich ein neues Haus. Denn in der Regel kostet Neues mehr als Altes – und ist in der Gesamtbilanz nicht per se besser. Denn das Neue existiert im Gegensatz zum Alten noch nicht. Sinnvoll ist es, etwas schon Bestehendes weiter zu (be)nutzen, anstatt es für Müll zu erklären. Das nennt man `nachhaltiges Verhalten´: eine Vorgehensweise, die anstrengend und langwierig ist. Das Ergebnis ist selten so optimal wie möglich – mit Blick auf die Kosten, die Lebensqualität und das Klima. Dennoch ist es mehr als eine sehr gute Alternative, sich mit dem Vorhandenen zu arrangieren: Kaum etwas ist langfristig so problematisch wie immer mehr Müll!

Manche Leute, andere und irgendjemand

Bei uns in der Nähe befinden sich zwei Fast Food-Restaurants, die außer Haus verkaufen: Manche Leute fahren mit dem Auto hin oder vorbei und lassen sich ihr Wunschgericht einpacken. Der Parkplatz um die Ecke hat keine schöne Atmosphäre, also stellen manche Leute sich mit ihrem Abendessen vorzugsweise auf einen in der Nähe gelegenen Feldweg. Dort packen sie ihr Wunschgericht aus, verzehren es – und genießen den Blick ins Grüne.

Irgendwann ist vom Wunschgericht nur noch die Verpackung da – viel Papier und etwas Plastik. Da sich auf dem Feldweg kein Papierkorb befindet, entsorgen manche Leute den Müll direkt neben dem Auto. Das ist kein schöner Anblick – Leute wie mich stört er sogar beim Blick ins Grüne. Aber das macht nichts: Irgendjemand räumt das Zeug schon weg.

Ob manche Leute nur gedankenlos sind oder bewusst ignorant, ist mir egal. Leute wie ich verstehen manche Leute nicht und sind den „Irgendjemands dieser Welt“ dankbar für ihren Dienst.

Zweckentfremdet

Eine meiner Töchter muss zu den Pfadfindern. Auf den letzten Drücker macht sie sich fertig, auf den allerletzten fällt ihr ein, dass sie ihr „Schlaues Buch“ mitnehmen sollte. Sie sucht es, aber in der Eile erfolglos: Sie muss ohne das Buch losziehen. Eine letzte Bitte: Ich könne es in ihrem Schreibtisch suchen und ihrer Freundin vor der Tür mitgeben, die fährt etwas später. Okay.

In bester Absicht gehe ich in ihr Zimmer und schaue mich um. Ihre Schreibtischschubladen sind für eine Überraschung gut: Süßigkeiten-Verpackungen – natürlich alle leer -, anderer Müll und irgendwie alles ohne System. JEDE Schublade enthält Müll und normale Schreibtisch-Utensilien. Frustriert schiebe ich sie wieder zu und finde das „Schlaue Buch“ AUF dem Schreibtisch, ein wenig untergebuddelt, aber da liegt es.

Ich gebe es der Freundin und sage: „Ihr Schreibtisch war total vollgemüllt, ich bin froh, dass ich das Buch trotzdem gefunden habe.“ Die Freundin: „Dazu ist ein Schreibtisch doch da!“

Wenn ich das gewusst hätte! Ich nutze meinen seit Jahrzehnten total zweckentfremdet für Schreibkram, Stifte, Passwort-Listen, Postkarten, Briefumschläge und ähnliches Zeug, was darin entweder nichts oder nur in Verbindung mit leeren Süßigkeiten-Verpackungen etwas zu suchen hat…