Jeder kann malen – mit der richtigen Anleitung

Die Überschrift soll ermutigend sein und vielleicht sogar für einen Malkurs werben. Bei mir löst sie heftiges Kopfschütteln aus: Sie ist nicht wahr und deshalb irreführend.

Erstens müsste man `kann malen´ erstmal näher definieren: Einen Stift halten kann wahrscheinlich jeder, der Finger hat. Meiner Meinung nach reicht das aber nicht aus. Können kommt von üben, sagt ein Lehrer meiner Kinder – und hat damit ganz recht. Talent kann sogar eine Menge Übung ersetzen, aber ohne Talent wird es richtig schwer.

Zweitens kenne ich mindestens eine Person, die wirklich nicht malen kann: ich. Malen kann ich noch schlechter als Chemie – und da half neben viel Übung vor allem der Lehrer, der in den Klausuren immer vorsagte. 

Drittens will nicht jeder malen können. Auch das gilt für mich, was vielleicht aus Punkt zwei folgt. Eine noch so tolle Technik (wie in dem Artikel beschrieben), kinderleicht und so, reizt mich nicht und macht aus mir keinen Maler. Lieber gehe ich in den Garten, laufen, tanze im Wohnzimmer, schreibe einen Brief oder fange doch noch einmal mit dem Klavierspielen an. Jeder andere vielleicht; aber die Chancen stehen schlechter als schlecht, dass es irgendwann heißen könnte: Dagmar kann malen.

Auf den Inhalt kommt es an? Nicht nur!

Ich `kenne´ eine britische Künstlerin, die sehr gut – und mit humorvollem Blick – zeichnen kann. Sie bemalt alles mögliche: Postkarten, Geschirr-Handtücher, Trinkbecher, Leinwände. Ich mag die meisten ihrer Motive und besitze ein paar Tassen von ihr; diese haben auch eine gute Haptik: schmaler Rand. Wenn ich eine von ihnen benutze, freue ich mich – das Auge isst (oder trinkt) halt mit. Egal ob Tee, Kaffee oder Wasser: Aus diesen Tassen schmeckt alles besser. Malen müsste man können!

Selber malen?

Bei uns kann niemand gut malen oder zeichnen. Dementsprechend besitzen wir keine besonderen Stifte oder Zeichenutensilien und vertreiben uns die Zeit nicht mit Malen. Meine Nichte dagegen zeichnet gern, gut und freiwillig, mit verschiedenen Farben und Untergründen. Kürzlich besuchte eine meiner Töchter ihre Cousine – und ließ sich dort zum gemeinsamen Malen überreden.

Mit fünf Farben und drei Leinwänden kam meine Tochter zurück nach Hause – fest entschlossen, hier weiter zu malen. Begeistert und hoch motiviert schwärmte sie davon, wie viel Spaß das Malen macht: „Wenn man jemanden hat, der etwas gern tut und gut kann, dann reißt einen das mit. Dann macht sogar etwas Spaß, worauf man sonst überhaupt nicht käme.“ 

Zwei Wochen später hat sie die Mal-Sachen noch nicht oft angerührt. Es wundert mich nicht: Hier fehlt ihr jemand, der gern und gut malt und sie mitreißen würde. Wenn wir Bilder von ihr sehen wollen, müssen wir sie wieder zu ihrer Cousine schicken – das täte auch der Beziehung der beiden gut.