Streiten lernen

`Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte´, heißt es. Einen wahren Kern findet man ja immer in derartigen Sprichwörtern. Aber die Streitgespräche meiner Kinder bereiten mir selten Freude: vor allem, wenn sachliche Kontroversen emotional werden. Dann schwanke ich von einer Position zur anderen, bin angespannt und irgendwann auch ein bisschen verärgert. Es fällt mir schwer, mich nicht einzumischen, nicht Partei zu ergreifen. Stattdessen wünsche ich mir, dass sie aufhören, sich zu streiten. Darüber würde ich mich freuen. 

Dabei weiß ich, dass Können von Üben kommt – in Bezug auf den Geist ebenso wie auf den Körper. Wer schreiben, rechnen, Rad fahren, schwimmen, balancieren oder eine andere Sprache sprechen möchte, muss es einüben. Normalerweise freue ich mich, wenn meine Kinder das freiwillig tun. Wieso nur geht es mir beim Streiten anders? 

Was man so lernt …

Ich unterhalte mich mit einer Bekannten über unsere Söhne, die beide studieren. Es gehe doch, meint sie, im Studium letztlich weniger um die Inhalte als um das Drumherum, das man fürs Leben lernt: eine Wohnung mieten, die Steuererklärung machen, mit dem Geld zurechtkommen, sich die Zeit sinnvoll einteilen, Kontakte knüpfen … Sie hat Recht: Die erfolgreich bestandenen Klausuren sind nur ein Aspekt des Studiums. Deutlich mehr freue ich mich darüber, was das `Kind´ neben dem Fachlichen noch so aufschnappt und woran sich viel deutlicher ablesen lässt, dass es erwachsen und selbstständig wird.

Will Hänschen wirklich wissen, was Hans weiß?

Im Post-LP-Alter höre ich ab und an Lieder von Bands, die mich in den Jahren zwischen 12 und 18 intensiv begleitet haben – oder ich sie, wie man`s nimmt. Eine davon war nicht Mainstream – BAP. Zunächst als Anhängsel meines älteren Bruders, später eigenständig hörte ich ihre Musik, lernte ihre Texte, war erklärter Fan, aber nie bei einem ihrer Konzerte. Vor dem Mauerfall war es nicht möglich, danach verteilte sich meine Begeisterung auf mehr als auf Musik – und Großveranstaltungen wurden immer weniger meine Sache.

Nach langer BAP-Abstinenz hörte ich vor ein paar Tagen „Verdamp lang her“ – ein Lied, an dem auch „halbe“ Fans nicht vorbeikamen damals. „Do kanns zaubre“ dagegen war und ist weniger bekannt. Es verblüffte mich, wie klar der Text dieses Liedes mir noch präsent ist nach so langer Zeit. Was Hänschen lernt, vergisst Hans nicht mehr. In manchen Fragen kann die Zeit der Erinnerung nichts anhaben. Normalerweise. Das gilt nicht in gleichem Maße für Dinge, die ich in der Schule lernen musste; aber ein bisschen schon. Vier meiner Kinder sind in dem Alter zwischen 12 und 18; es wäre schön, sie würden die Aufnahmekapazitäten ihres Hirns gerade jetzt gut ausnutzen – für das, woran sie sich in 30 Jahren noch erinnern möchten. Leider interessiert sie das heute in Bezug auf Schule erschreckend wenig…