(Blick-)Kontakt

Hochmütig ist, wer sich für begabter oder schlauer hält als andere – und diese übersieht oder auf sie herabblickt.

Wer demütig ist, hält eher die anderen für begabter oder schlauer – und schaut zu ihnen hinauf.

Fehler machen wir alle, nur geben wir sie ungleich gern zu. Sie passen vor allem bei Hochmütigen nicht ins Selbstbild: Eine Schwäche `darf nicht sein´, wenn man meint, mehr zu wissen und zu können als der Rest der Menschheit. Entsprechend schwer fällt es solchen Menschen, sich zu entschuldigen. Dabei sind das Eingestehen von Fehlern und die Bitte um Verzeihung die beste Voraussetzung, anderen auf Augenhöhe zu begegnen.

Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es. Wenn man erst am Boden liegt, sieht man nur noch Dreck. Was gäbe man in solch einem Moment wohl darum, von anderen Menschen gesehen zu werden – egal ob begabt oder schlau.

In Kontakt bleiben

In den 80er Jahren im ländlichen Raum nahe Potsdam: Wir haben Telefon, aber das nutzt einem manchmal gar nichts, weil so viele andere kein Telefon haben. Briefe von Kleinmachnow nach Ziesar brauchen circa fünf Tage – in der Zeit könnte man die Strecke auch zu Fuß zurücklegen. Mehrmals. Wir schreiben trotzdem Briefe.

1991 in Australien: Überall Telefonzellen; mit einer Visa- oder Mastercard kann man sich um die Unmengen an Kleingeld drücken, die man bräuchte, um nach Deutschland zu telefonieren. Nach 50 Dollar wird man automatisch unterbrochen – gut für den Geldbeutel. Meine vollfotografierten Filme habe ich mit der Post unentwickelt nach Deutschland geschickt – die lieben Verwandten haben dann mit leichter Verzögerung nacherleben können, was mir so passiert ist.

1994 in Tansania – Dar-es-Salaam: Irgendwo in einer Art Telefoncenter morgens ein Gespräch nach Deutschland angemeldet, stundenlang auf ein Durchkommen gewartet, abends wieder abgemeldet. Briefe dauern drei Wochen. Als ich in Tegel lande, erwarten meine Eltern eine zum Skelett abgemagerte Afrika-Reisende, dabei war mein vor Wochen im Brief erwähnter Durchfall schon längst wieder Geschichte.

1998 in Deutschland: „Fernbeziehung“ zwischen Heidelberg und Celle. Briefe dauern in der Regel einen Tag (und man schreibt sie immer noch), Telefonieren ist vergleichsweise teuer – Telefonkarten für die noch existierenden Telefonzellen sind in verschiedenen Preis-Kategorien erhältlich: Ich nehme immer die `ganz teuren´ für 50 DM und verbrauche mehrere im Monat.

2017 in Deutschland: Telefonzellen sind über die Jahre verschwunden. Manche Leute haben überhaupt keinen Festnetzanschluss mehr! Postboten bringen hauptsächlich Rechnungen oder Werbe-Dinge, selten Postkarten – gehäuft meist um Geburtstage oder Weihnachten herum. Briefe brauchen noch immer einen Tag – wenn nicht, regen wir uns auf. Telefone sind weniger zum Telefonieren da als zum Kommunizieren in anderer Form. ALLES wird geteilt, sofort und immerzu, meist mit Foto. Haben wir deshalb jetzt mehr Kontakt?