Von der Hoffnung …

Ich bin mit dem Rad unterwegs: zur Schneiderin, dann Geld abheben und Blumen holen für eine Freundin, die Geburtstag hat. Auf dem Weg zu ihr muss ich eine Brücke passieren. Dort wird gebaut; nur eine Spur steht zur Verfügung. Neben der Bedarfsampel steht ein Schild, dass Fußgängern und Radfahrern die Weiterfahrt untersagt. Da stehe ich mit meinem Blumenstrauß in der Hand und frage mich, wie ich weiterkomme. Nur ein anderer Weg über den Fluss kommt alternativ in Frage: ein Umweg von etwa acht Kilometern – mit dem Rad jetzt viel zu weit. Soll ich einfach trotz des Schildes fix über die Brücke radeln? Auf der abgesperrten Spur ist Platz; Bauarbeiter sind nicht zu sehen. Letztlich traue ich mich aber nicht, das Verbotsschild zu ignorieren. Zu tief sitzt der Drang, offizielle Regelungen befolgen zu müssen.

Ich schiebe das auf meine frühe Sozialisierung im Osten Deutschlands: „Kommen Sie bitte zur Klärung eines Sachverhalts mit auf die Polizeistation.“ Obwohl ich weiß, dass mir das hier auf keinen Fall passieren wird, spüre ich ein Grundgefühl aus Angst und Unsicherheit, sobald etwas nach `illegal´ klingt.

Also radele ich – frustriert mit mir selbst – nach Hause und hole das Auto. Wieder an der Brücke, kommt mir eine Fußgängerin entgegen: fröhlich telefonierend. Im Gegensatz zu mir hat sie sich durch das Schild nicht bremsen lassen. Ich bewundere sie und nehme mir vor, es ihr beim nächsten Mal gleichzutun. Vielleicht gelingt es mir ja dann, meine Prägung zu überwinden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.