Gute Gründe?

Ich würde gern mehr Klavier spielen beziehungsweise üben. Aber ich tue es nicht und habe immer gute Gründe dafür:

Ich will zum Beispiel niemanden stören – das Klavier steht im Wohnzimmer.
Es soll auch niemandem aus meiner Familie wegen meiner musikalischen Entfaltung mangeln an Essen oder sauberer Wäsche.
Bereitwillig nehme ich Rücksicht darauf, wenn sich jemand lieber mit mir unterhalten als mir beim Musizieren zuhören möchte.
Ein paar andere Kleinigkeiten blockieren oft die Zeiten, in denen ich spielen könnte. Denn wenn ich ganz ehrlich bin, mache ich einige Dinge noch lieber, als mich ans Klavier zu setzen: nämlich Briefe zu schreiben beziehungsweise spazieren oder laufen zu gehen. 

All das resultiert darin, dass mein Klavierspiel sich kaum verbessert. Wenn es mir leichter fiele, hätte ich mehr Freude und würde es lieber tun – da bin ich sicher. Dafür müsste ich mehr üben. Aber meine guten Gründe schieben sich immer wieder dazwischen.

Es ist ärgerlich, aber eindeutig: So wird das nichts mit meiner Klavier-Virtuosität.

Gute Gründe

Es gibt viele Gründe, etwas nicht zu tun.

Manchmal habe ich keine Lust, Haushaltskram zu erledigen;
manchmal habe ich keine Idee, was ich kochen könnte;
manchmal fehlt mir die Courage für etwas – zum Beispiel allein mit dem Auto 550 Kilometer durch die Republik zu fahren;
manchmal fühle ich mich zu erschöpft oder müde, mich auf den Weg zu machen und jemanden zu treffen;
manchmal bekomme ich keinen Zugang zu einem Thema, über das ich schreiben soll;
manchmal bin ich es leid, schon wieder ein ungeliebtes Thema – wem gegenüber auch immer – anzusprechen;
manchmal bin ich nicht geduldig genug, ein Kind Vokabeln abzufragen.

All diese Hindernisse können gute Gründe sein – oder auch vorübergehende Befindlichkeiten. Für mich gibt es einen guten Grund, mich von diesen nicht leiten zu lassen: Aufzuhören bedeutet Stillstand. Soll sich was bewegen, soll etwas passieren, gibt es manchmal nur eine Alternative: Einfach machen – und dann geht`s doch irgendwie.

Manchmal jedoch merke ich, dass weitermachen nicht einfach, sondern falsch wäre. Das kann ein guter Grund sein, auf meine Befindlichkeit zu hören. Ich halte inne und entscheide mich für eine Pause.