In der Stadt sitzen zwei ältere Frauen mit Kopftuch auf einer Bank. Sie halten Hefte mit Botschaften vor ihrem Körper: `Glücklich für immer´. Ich gehe langsam weiter, bis ich begreife, was an der Szene nicht passt. Dann drehe ich mich noch einmal um und schauen den beiden ins Gesicht. Es kann an der Hitze liegen, aber sie sehen müde aus, sehr ernst, vielleicht sogar frustriert. Jedenfalls kein klitzekleines bisschen fröhlich – geschweige denn glücklich. Am liebsten würde ich zurückgehen und sagen: „Gehen Sie nach Hause, mit diesen Gesichtern überzeugen Sie niemanden.“ Aber ich weiß, dass die zu erwartende übliche Diskussion in einer Sackgasse enden würde – und gehe weiter. Zwar bin ich weniger sicher als sie, ein Patentrezept für fortwährendes Glücklichsein zu kennen. Aber ihr Beispiel überzeugt mich nicht.
Kochen macht glücklich
Ein Kind ausgezogen, ein Kind zur Klassenfahrt: Diese Woche ist es angenehm ruhig – einerseits. Andererseits merke ich bei der Planung der Mahlzeiten, wie sehr mir die beiden großen Söhne fehlen, die sich immer sehr übers Essen freuen… Kochen macht Arbeit, aber irgendwie auch glücklich – und umso glücklicher, je mehr hungrige Menschen dankbar dafür sind.
Unerfüllte Wünsche
„Verflucht sei der Tag, an dem ich geboren wurde; der Tag, an dem meine Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet!“
Jeremia 20, 14
„Jeremia, du armer Mann!“, das denke ich, wenn ich diese Worte lese. Er tut mir leid – aus der Ferne. Ich lese, dass er andauernd und über Jahrzehnte hinweg Unheil verkünden und Vernichtung ankündigen muss. Ich lese auch, dass er genau das tut, was Gott von ihm möchte. Er lebt seine Berufung. Zwar fühlt er sich nicht genügend ausgestattet für das, was Gott ihm auftrug; aber Gott hatte ihm zugesagt, mit ihm zu sein und ihm alles zu geben, was er braucht. Also macht Jeremia sich auf den Weg und ist gehorsam. Und erlebt auch, dass Gott seine Zusage hält: Jeremia sagt, was er zu sagen hat, wird verstanden, verlacht und verachtet, behält Recht in allem, was er voraussagt, und erfährt Bewahrung.
Das ist doch wohl das, was wir unter „seiner Berufung entsprechend leben“ verstehen. Und dann kommt mittendrin dieser Vers. Jeremia ist nicht glücklich damit. Das Leben, das Gott für ihn geplant und für das Gott ihn begabt hat, schmeckt Jeremia nicht. Ich kann das gut verstehen: So ein Leben hätte ich auch nicht gewollt.
Meine bisherige Vorstellung war: Ich kann nie glücklicher und zufriedener sein, als wenn ich genauso lebe, wie Gott sich das für mich gedacht hat. Nirgends wird es mir so gut gehen wie in seinem Willen für mich. Stimmt diese Vorstellung nicht? Kann es mir auch gut gehen, wenn es mir nicht gut geht? Kommt dann etwas anderes ins Spiel? Vielleicht bin ich eine weichgespülte Wohlfühl-Christin, die gar nicht mehr merkt, wie sehr ihre menschlichen Umstände die biblische Idee von „erfülltem Leben“ verdrängt oder gar ersetzt haben. „Es gibt erfülltes Leben trotz unerfüllter Wünsche“, sagt Dietrich Bonhoeffer. Davon habe ich keine Ahnung: Es gibt nur wenige unerfüllte Wünsche in meinem Leben.
Ich bin dankbar, dass Jeremias Ehrlichkeit auch in der Bibel steht. Und dass er trotzdem weitergemacht hat. Dass er treu war und mutig und in Gottes Willen geblieben ist – auch wenn es ihn seinen eigenen gekostet hat.