Gleichrangig

Ich liebe die Vorfahrtregelung „rechts vor links“: Sie lässt den Verkehr besser fließen als Haupt- und Nebenstraße, ist eindeutig und dennoch weniger statisch als ein Stoppschild oder eine Ampel. Woher man kommt und der immer wieder unterschiedliche Verkehr entscheiden darüber, wer zuerst fahren darf. Hier gilt nicht das Recht des Stärkeren – und genauso wenig kann der Schwächere immer erwarten, dass Rücksicht genommen wird. An einer Kreuzung bei uns in der Nähe freue ich mich oft über diese Gleichstellung, die mit „rechts vor links“ verbunden ist. Gestern fuhr ich mit dem Rad darauf zu – von vorn kam ein Auto, von links ein Bus. Beide waren kurz vor mir an der Kreuzung und mussten auf mich warten, denn für mich kam niemand von rechts. Die Straßen sind gleichrangig, aber in dem Moment hatte ich als die Schwächste den Vorrang. 

So ähnlich funktioniert eine demokratische Gesellschaft: Es gibt Starke und Schwache – und keiner von beiden ist immer im Recht. Das Miteinander muss anders geregelt werden als darüber, wer am lautesten schreit, am meisten Geld hat oder am schutzbedürftigsten ist. Jeder ist mal in der Pole-Position, nur dann funktioniert es.

Selten kommen aus allen Richtungen Fahrzeuge. Wer dann zuerst fahren darf, ist nicht mehr eindeutig – wir müssen uns einigen. Jetzt greifen „aufeinander achten“ und „nachgeben“; Menschen schaffen das, wenn sie wollen.