Geschmack

Ein Lied der Wise Guys verdeutlicht mir, wie verschieden begabt Menschen sind – und wie sehr wir einander brauchen: Nur der Bass, nur der Tenor, nur die erste Stimme, nur die zweite Stimme … jeder für sich klingt gut, aber ein bisschen blass. Alle zusammen sind ein Genuss!

Andersherum betrachtet: Eine Referentin auf einer Konferenz spricht mich überhaupt nicht an – im Gegenteil: Sowohl, was, aber besonders, wie sie es sagt, lassen mich unruhig auf meinem Stuhl hin und her rutschen. Am liebsten würde ich rausgehen, ich empfinde Fremdscham. Im Anschluss spreche ich mit Leuten, denen es komplett anders erging. Gerade die Art und Weise der Präsentation beeindruckte sie sehr.

Ich habe so etwas schon öfter erlebt – und doch erstaunt es mich immer wieder: Geschmäcker gehen weit auseinander. Was ich mag, stößt meinen Nachbarn ab; bin ich berührt, bleibt ein anderer emotionslos; wenn ich jedem Wort zustimmen könnte, widerspricht ein anderer vehement – oder auch umgekehrt. 

Geschmack

„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, heißt es. Das klingt nach Harmonie pur. „Geschmacksache“ ist weder richtig noch falsch und eine sehr persönliche Angelegenheit: Zwei Menschen stimmen nur selten völlige überein; aber zwischen „gefällt mir“ und „gefällt mir nicht“ existieren oft gemeinsame Schnittmengen.

Manchmal bin ich dennoch erstaunt, wie unterschiedlich Vorlieben sind. Jemand präsentiert mir einige Lieder, die ihm gut gefallen und über die ich sagen würde: überhaupt nicht mein Geschmack, ungeeignet selbst als Hintergrund-Beschallung. Ich warte ungeduldig auf das Ende. Wir streiten nicht darüber, jedes Wort wäre zu viel. Unsere Geschmäcker haben keine gemeinsame Schnittmenge.