„Einem
geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“, heißt es. Das Motto
hat Grenzen, aber bei mir sind diese ziemlich weit gezogen. Als eine
meiner Töchter sich eines ihrer alten Fotoalben ansah, staunte und
lachte sie über ihre Outfits: „Kunterbunt, Mama, und irgendwie
alles durcheinander gewürfelt – wie hast du uns denn angezogen?“
Nun ja, wir bekamen halt viel geschenkt und benutzten die Klamotten auch. Die Kinder kannten es nicht anders und waren zufrieden – und ich auch. Manches hätte ich so nicht selbst gekauft, mancher Chic wäre uns dadurch entgangen, manches Nur-Praktische ebenso.
Mir
selbst ging es als Kind ebenso – und weil die Auswahl an sich und
das Angebot im Osten Deutschlands vor 40 Jahren überschaubarer war
als heute, trug ich fast alles „Abgelegte“ mit Begeisterung.
Mittlerweile
sind wir wählerischer geworden. Meine Mädchen sind älter, haben
ihren eigenen Stil und einen klaren Geschmack. Die Jungen sind
ohnehin dem Erb-Alter entwachsen. Auch die Zeiten haben sich
geändert: Das Bewusstsein für „in“ oder „angesagt“
entwickeln Kinder heute schon viel früher – oder zumindest früher
als ich damals.
Zwar bin auch ich längst dem Erb-Alter entwachsen, aber ich gehe auch sehr ungern einkaufen. Von daher freue ich mich, wenn doch etwas bei mir ankommt, was meiner Tochter nicht passt oder gefällt und für eine Endvierzigerin geeignet ist. Vor ein paar Jahren waren das ein Paar Wanderschuhe. Sie sind bequem, passen, sind robust und hochwertig. Allerdings gab es sie geschenkt überhaupt nicht in meiner Farbe. Egal, ich zieh sie trotzdem an. Ich seh´ sie ja nicht, mein Blick geht eher geradeaus. Und dem geschenkten Gaul schaue ich in bestimmten Fällen eben immer noch nicht ins Maul.