Bier oder Käse, das ist nicht die Frage

`Don´t worry beer happy´ steht auf dem T-Shirt eines Mannes, der mit einem leeren Einkaufswagen an der Ampel wartet. Er scheint schon ein paar Jahre mit diesem Motto unterwegs zu sein – unterm Shirt ist nicht mehr viel Platz für noch mehr (Bier-)Bauch. Vielleicht holt er sich gerade die nächste Ladung, denke ich, und auch: Was geht es mich an? Wenn er tatsächlich zufrieden ist so oder sogar glücklich? Sein Leben mit viel Bier ist nicht besser oder schlechter als mein Leben ohne Bier und mit viel Käse (oder was ich sonst noch schätze).

Gegen Sorgen hilft meiner Ansicht nach weder Bier noch Käse. Daher wäre ich eher für ein Shirt mit der Aufschrift `Don´t worry, keep praying´ zu haben: Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! (Phil 4, 6)

Beim Gebet genommen

Ich wünsche mir einen kreativen Schreibauftrag. Am Morgen, auf der Fahrt ins Büro, bete ich, dass Gott mir einen schenkt. Als ich am Nachmittag wieder da bin, finde ich eine Mail: Ob ich mir vorstellen könne, ein kleines Handbuch-Projekt mit Textarbeiten zu unterstützen, fragt mich ein Freund, für den ich schon öfter gearbeitet habe. Das ging schnell; hatte ich meinen Wunsch so ernst gemeint? Obwohl ich begeistert bin von Gottes prompter Antwort, frage ich mich gleichzeitig etwas unsicher, wie ich diesen Auftrag wohl zeitlich schaffen werde. Nach einer Schreckminute entspanne ich mich, denn auch dafür hatte ich gebetet: dass die gewünschte Extra-Aufgabe nicht zu viel für mich ist. Gott hat das erste Gebet erhört, er wird auch das zweite ernst nehmen.

Tausche Gebet gegen Säbelrasseln?

Die Dänen wollen einen Feiertag abschaffen, um mehr Geld ins Militär stecken zu können. Soweit so gut: Wenn der Staat dringend Geld braucht, muss das Volk mehr arbeiten. Dass nun unbedingt der `Große Gebetstag´ gestrichen werden soll, klingt für mich – jedenfalls ein bisschen – zynisch. Wobei ich gar nicht weiß, ob ich genau das meine: zynisch. Zum einen fällt es mir schwer, zynisch, ironisch und sarkastisch exakt voneinander zu unterscheiden. Zum anderen bin ich tatsächlich nicht ganz sicher, was ich von dem Plan halten soll: tausche Gebet gegen Säbelrasseln.

Dabei ist mir natürlich vollkommen klar, dass in Dänemark fast niemand mehr einen für das `große Gebet´ bestimmten Feiertag auch dazu nutzt. Bei uns denkt ja am Tag der Arbeit auch niemand pausenlos an die Arbeit; nur einige erinnern sich Karfreitag und Ostermontag an den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus; und der Buß- und Bettag motiviert sicher wenige von uns, Buße zu tun und zu beten. Die meisten Feiertage sind in erster Linie eine willkommene Pause im normalen Arbeitsalltag – es wird landesweit weder produziert noch Geld erwirtschaftet. Entsprechend ist es folgerichtig, Löcher in der Haushaltskasse damit zu stopfen, einen von diesen nicht lukrativen Feiertagen ersatzlos zu streichen.

Dennoch klingt es für mich fast paradox: Der Mensch will den Frieden sichern, Kriege beenden oder vermeiden – und das einzige, was uns dazu einfällt, ist, aufs Beten zu verzichten? Gerade in Bezug auf Krieg und Frieden geraten wir Menschen an unsere Grenzen, ist das Verhandeln derart schwierig und eben nicht nur von militärischer Stärke abhängig. Gerade für den Frieden sind Kompromisse wichtig, müssen verfeindete Parteien aufeinander zugehen, sind Waffen und Gewalt nie die einzige Lösung, sondern Garant für großes Leid. Gerade hier braucht es Geschick, Empathie, Diplomatie, Risiko-Bereitschaft und Demut: den Mut zum ersten Schritt, zum Brückenbauen, zum Vertrauen. Wie aber kann all das am besten entstehen und begleitet werden, wenn nicht durch Gebet?

Ohnmächtig?

Ich fühle mich ohnmächtig – in Bezug auf alles Mögliche: Ich kann nichts gegen die Depression einer Freundin tun oder meinem Sohn das Lernen abnehmen; ich kann die Ehe eines alten Freundes nicht retten und schon gar nicht die Krebsdiagnose meines Bekannten verhindern. Ich kann nicht in die politischen Entscheidungen unserer Regierung eingreifen oder den Krieg in der Ukraine beenden – und den Bürgerkrieg in Syrien auch nicht. Das ist für mich manchmal schwer auszuhalten.

Ich kann also eine ganze Menge nicht; vielleicht kann ich sogar nichts? GEGEN meine Ohnmacht und FÜR all die Anliegen kann ich nur eins tun: beten! Was dann passiert, liegt noch immer nicht in meiner Hand. Aber ich fühle mich nicht mehr ohnmächtig – weil ich weiß, dass ein anderer sich kümmert um all das, was mich bekümmert. Gott hat die Letztverantwortung, ist souverän und allmächtig; meine Anliegen sind bei ihm gut aufgehoben. Das ist für mich leichter auszuhalten. Paul Gerhardt (1607 – 1676) wusste das auch:

„Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Dem Herren musst du trauen, wenn dir´s soll wohlergehn;
auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.

Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht,
lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente, der alles führen soll,
Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.

Ihn, ihn lass tun und walten, er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat,
das Werk hinausgeführet, das dich bekümmert hat.“

Geheimnis Gebet

Ich beginne meine Tage meist mit einem Gebetsspaziergang, auf dem ich mit Gott über die Dinge spreche, die mir wichtig sind: unsere Kinder, anstehende Entscheidungen, schwierige Beziehungen in meinem Umfeld, Kranke … Meine Gebete sind jeden Tag neu und doch immer wieder ähnlich. Manche Anliegen sind tagesaktuell; andere beschäftigen mich über Wochen, Monate oder sogar Jahre. Abraham hat 25 Jahre für seinen Sohn gebetet – ich versuche also, dranzubleiben, auch wenn nichts zu passieren scheint.

Aus gegebenem Anlass bete ich schon lange für eine meiner Töchter und ihr soziales Umfeld in der Schule. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Freunde für angenehme Schulerlebnisse sind, und wünsche meiner Tochter ebensolche. In den letzten Wochen tut sich etwas: „Wir haben heute so gelacht“, sagt sie zum Beispiel, „vor allem einige der Jungen sind herrlich unkompliziert.“

Während ich Gott dafür danke, frage ich mich, wie das ist mit den Gebeten und den Gebetserhörungen: Hat sich die Situation für meine Tochter verändert, weil ich dafür bete? Vielleicht tut sich auch nur deshalb etwas, weil sich mit der Zeit Dinge sowieso verändern.

Ich weiß, dass die Bibel uns zum Beten ermutigt („Betet ohne Unterlass!“), dass eine Verheißung auf unseren Gebeten liegt („Bittet, so wird euch gegeben!“) und Satan, Gottes Widersacher, der größte Entmutiger unseres Lebens ist. Wenn mich jemand oder etwas am Gebet zweifeln lassen und davon abhalten will, dann ist es garantiert nicht Jesus. Wir müssen uns damit abfinden, Gottes Pläne mit uns nicht in Gänze zu verstehen: Sein Wirken bleibt letztlich ein Geheimnis – es hat wenig mit Wissen und dafür viel mit Vertrauen zu tun. Auch die Frage, was mein Gebet bewirkt, lässt sich nicht eindeutig beantworten und bringt mich nicht weiter.

Sicher aber ist: Ohne Gebet fühle ich mich ohnmächtig, passiv und ängstlich. Zu beten wiederum ermutigt und beruhigt mich, erweitert meine Perspektive beeinflusst positiv, wie ich durch meine Tage gehe. Nicht nur das motiviert mich, weiter mit Gott über die Dinge zu sprechen, die mir wichtig sind …

Nur für den Moment?

Zur Ruhe und zu reflektierenden Gedanken komme ich am besten, wenn ich allein bin. Darum verlasse ich in diesen speziellen Zeiten regelmäßig unser Zuhause – dort ist „immer wer da“. Auf meinen Spaziergängen lasse ich meinen Gedanken freien Lauf, bete oder erfreue mich am Gezwitscher der vielen Vögel, die sich über das Ende des Winters zu freuen scheinen. Vor einigen Tagen hatte ich eine besonders gute Zeit: Im Gebet fühlte ich mich Gott nah, inspiriert und voller Frieden. Was genau mir klar geworden war, konnte ich schon direkt danach nur schlecht in Worte fassen. Manchmal geht es nur um den Moment und nicht um das, was man daraus lernt.

Erwartungsvoll oder vorsichtig beten?

„Und alles, was ihr bittet im Gebet, wenn ihr glaubt, so werdet ihr´s empfangen.“
Matthäus 21, 22

Ist das meine Lebensrealität? Auf den ersten Blick nicht. Lange hat mir dieser Vers Mühe gemacht. Gott erhört nicht alle meine Gebete.

Es gibt Menschen, die beten sehr offensiv, sie proklamieren. Ich bewundere diesen Mut, diese Überzeugung; ich glaube, sie hat eine Berechtigung. Ich persönlich habe davon wenig: Ich durchschaue Gottes Willen zu wenig, mir fehlt diese Klarheit. Es ist für mich zum Beispiel nicht immer „dran“, um Heilung zu beten – sie ist für mich nicht die einzige Lösung einer Krankheit. Außerdem ist meine Erfahrung, dass Gott manchmal eben nicht heilt. Warum? Ich weiß es nicht. Also bete ich um Heilung eher fragend und vorsichtig.

„Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst“, hat Jesus in Gethsemane gebetet. Auch ich schiebe das manchmal hinter meine Anliegen – aber es kommt mir nicht leicht über die Lippen. Es klingt mir zu fatalistisch, zu sehr nach dem Motto: Was auch passiert, es ist in Ordnung. Das spiegelt jedoch nicht immer mein Innerstes wieder. Es ist ein Kampf, den Ausgang Gott zu überlassen. Es war auch für Jesus ein Kampf. Vor dem „wie du willst“ betete er: „Mein Vater, ist´s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber…“ Was denke ich, dass es mir leichter fallen sollte als ihm?

Trotzdem bete ich und rechne mit Gottes Hilfe. Ich bete um Bewahrung, für Versöhnung, um Weisheit und Orientierung – und erwarte, dass Gott antwortet. Wie auch immer. Konkret erwartungsvoll bete ich um die Gewissheit von Gottes Nähe in meinem Leben. Auch diese wird mir nicht immer gleich geschenkt, aber um sie ringe ich. Jesus hat gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Enden.“ Deshalb rechne ich damit, dass er bei mir ist – in allem, was passiert. Den Rest versuche ich, Gott zu überlassen.