Der Klassiker

Laut einer Erhebung geht mittlerweile jedes siebte bis fünfte Kind ohne Frühstück in die Schule, also: ohne gefrühstückt zu haben UND ohne Brote im Gepäck. Und dann sitzen sie da, diese Schüler, und können sich nicht konzentrieren, weil sie Hunger haben – ein klassisches und oft zitiertes Beispiel für Vernachlässigung. Die Ursache liegt bei den Eltern, die entweder nicht darauf achten wollen oder können.

Erwischt, denke ich mir. Frühstück vor beziehungsweise in der Schule war und bleibt auch in unserer Familie ein schwieriges Thema. Und das, obwohl wir mit gutem Beispiel vorangehen und morgens gemeinsam am Essenstisch sitzen. Als unsere Kinder klein waren und sich noch nicht so gut wehren konnten, nötigten wir sie zu einigen Bissen oder wenigstens zu einem Glas Milch. Spätestens bei den Schulbroten kam unsere Einflussnahme jedoch an ihre Grenzen: Die Kinder brachten sie oft unangetastet wieder mit nach Hause und aßen sie dann hier vor dem Mittagessen. Manchmal fand ich die Klappstullen Wochen später beim Unkrautjäten in der Hecke vor dem Hause – oder sie wurden auf dem Heimweg irgendwo im Nirgendwo entsorgt.

Unser Jüngster ist 15, und auch er steht lieber spät auf, als sich Zeit fürs Frühstück zu nehmen. Die paar Minuten, bis er losmuss, verbringt er am Handy, das dann hierbleibt – damit er sich in der Schule besser konzentrieren kann. Ob das klappt, ist angesichts des verpassten Frühstücks natürlich fraglich.

Ich weiß, wie wichtig laut irgendwelcher Ernährungsexperten das morgendliche Frühstück gerade für junge Menschen ist. Ein Gehirn, das arbeiten soll, braucht Energie. Außerdem sollte man während der Kindheit gute Gewohnheiten entwickeln: Was wir essen und trinken sollten, wie viel wovon, in welchen Abständen … Das Internet ist voll mit `gesunden und schmackhaften Ideen für ein abwechslungsreiches Frühstück´. Aber was soll ich sagen? Sie prallen an mir ab. Denn auch ich hatte ein ambivalentes Verhältnis zu meinen Schulbroten. Meine Lösung war Condor, der Schäferhund meines großen Bruders. Er war nicht mäkelig, immer hungrig – und ein verlässlicher Abnehmer für meine Pausenbrote.

Ganz einfach besonders!

Ich bin zum Frühstück eingeladen und freue mich auf die Leute; kulinarisch erwarte ich nichts Besonderes. `Ein Frühstück halt´, denke ich, `Brötchen mit Käse und Marmelade, wahrscheinlich Obst, vielleicht Fisch, das wars.´

Der Tisch ist reich gedeckt – auch mit Käse, Marmelade und Obst. Aber daneben steht noch mehr: ein Brotaufstrich aus Bohnen, Walnüssen und Rosmarin zum Beispiel und ein Dip mit Datteln, Schmand und Harissa. Die Schneeballfrucht-Marmelade ist verfeinert mit Apfel, Kürbis und Johannisbeerlikör – und passt hervorragend zu den selbst gebackenen Brötchen. Vieles ist besonders und alles ausgesprochen lecker. Die Rezepte seien `ganz einfach´, meint die Gastgeberin und verspricht, sie mir zu schicken.

Ich nehme mir vor, meinen nächsten Gästen ebensolche Köstlichkeiten zu servieren, ahne aber, dass es bei dem Vorsatz bleiben wird: Meist stelle ich dann doch nur Käse, Marmelade und Obst auf den Tisch. Dabei ist es offenbar ganz einfach, ein Frühstück kulinarisch besonders zu machen – vielleicht auch für mich.