Im Frieden

Mein Sohn trägt eine Zahnspange – wie so viele andere Kinder in seinem Alter; normalerweise geht er allein zum Kieferorthopäden. Diesmal gehe ich mit, um etwas mit dem Arzt zu besprechen, das sich am Telefon nicht klären ließ. Das Gespräch dauert nicht lange; während ich warte, dass mein Sohn fertig wird, beobachte ich das Hin und Her von Arzthelferinnen und Patienten. Was hier passiert, denke ich, ist nicht lebensnotwendig, aber `nice to have´ – ein Zeichen für den Frieden, in dem wir leben dürfen: in einer Arztpraxis sitzen und sehen, wie Jugendliche sich die schiefen Zähne geraderücken lassen.

Tausche Gebet gegen Säbelrasseln?

Die Dänen wollen einen Feiertag abschaffen, um mehr Geld ins Militär stecken zu können. Soweit so gut: Wenn der Staat dringend Geld braucht, muss das Volk mehr arbeiten. Dass nun unbedingt der `Große Gebetstag´ gestrichen werden soll, klingt für mich – jedenfalls ein bisschen – zynisch. Wobei ich gar nicht weiß, ob ich genau das meine: zynisch. Zum einen fällt es mir schwer, zynisch, ironisch und sarkastisch exakt voneinander zu unterscheiden. Zum anderen bin ich tatsächlich nicht ganz sicher, was ich von dem Plan halten soll: tausche Gebet gegen Säbelrasseln.

Dabei ist mir natürlich vollkommen klar, dass in Dänemark fast niemand mehr einen für das `große Gebet´ bestimmten Feiertag auch dazu nutzt. Bei uns denkt ja am Tag der Arbeit auch niemand pausenlos an die Arbeit; nur einige erinnern sich Karfreitag und Ostermontag an den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus; und der Buß- und Bettag motiviert sicher wenige von uns, Buße zu tun und zu beten. Die meisten Feiertage sind in erster Linie eine willkommene Pause im normalen Arbeitsalltag – es wird landesweit weder produziert noch Geld erwirtschaftet. Entsprechend ist es folgerichtig, Löcher in der Haushaltskasse damit zu stopfen, einen von diesen nicht lukrativen Feiertagen ersatzlos zu streichen.

Dennoch klingt es für mich fast paradox: Der Mensch will den Frieden sichern, Kriege beenden oder vermeiden – und das einzige, was uns dazu einfällt, ist, aufs Beten zu verzichten? Gerade in Bezug auf Krieg und Frieden geraten wir Menschen an unsere Grenzen, ist das Verhandeln derart schwierig und eben nicht nur von militärischer Stärke abhängig. Gerade für den Frieden sind Kompromisse wichtig, müssen verfeindete Parteien aufeinander zugehen, sind Waffen und Gewalt nie die einzige Lösung, sondern Garant für großes Leid. Gerade hier braucht es Geschick, Empathie, Diplomatie, Risiko-Bereitschaft und Demut: den Mut zum ersten Schritt, zum Brückenbauen, zum Vertrauen. Wie aber kann all das am besten entstehen und begleitet werden, wenn nicht durch Gebet?

Krieg und Frieden

In der Ukraine ist Krieg, Menschen kämpfen oder fliehen. Das ist schrecklich. Wir in Deutschland leben im Frieden und räumen unseren Garten auf. Es kommt mir banal vor, aber es würde niemandem helfen, wenn wir es nicht täten. Trotzdem frage ich mich, was ich gegen diesen Krieg tun kann. Nur eine Sache fällt mir ein: Ich bete für Frieden.

Verdrängen oder abgeben

„In der Angst rief ich den Herrn an; und der Herr erhörte mich und tröstete mich.“
Psalm 118, 5

„Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen verdrängen und abgeben?“, fragt mich meine Freundin: „In beiden Fällen ist etwas weg.“ Spontan denke ich: Beim Verdrängen sind meine Augen geschlossen, beim Abgeben geöffnet. Aber ist das alles?

Dieselbe Freundin hat Brustkrebs; seit März ist sie in Behandlung – Chemo, Nebenwirkungen, Bestrahlung. Wir treffen uns fast wöchentlich zum Reden und Beten. Wir könnten den Gedanken daran verdrängen, dass sie sterben kann. Die damit verbundenen Gefühle wie Angst und Unsicherheit wären aber weiterhin da: Auch wenn wir sie ignorieren, bleiben sie machtvoll. Unterschwellig würden sie bestimmen, wie es meiner Freundin innerlich geht, wie sie denkt und handelt.

Tatsächlich sprechen wir über den Gedanken, dass sie sterben kann. Die damit verbundenen Gefühle wie Angst und Unsicherheit ignorieren wir nicht, sondern geben sie an Gott ab. Auf wundersame Weise verlieren sie an Kraft: Stattdessen schenkt Gott Frieden und Vertrauen. Diese bestimmen, wie es meiner Freundin innerlich geht, wie sie denkt und handelt.