Freude

„Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“
Galater 5, 22

Ich will eine weitere Predigt von Timothy Keller über die Frucht des Geistes hören, diesmal geht es um Freude. `Nebenbei´ möchte die Fußböden wischen und kochen. Daher versuche ich, mein Handy mit der Lautsprecher-Box zu verbinden, die in der Küche steht. Damit habe ich eine Weile zu tun, denn aus mir unerfindlichen Gründen FUNKTIONIERT das mal wieder NICHT. So geht es mir öfter; ich bitte dann eins der Kinder um Hilfe. Diese sind aber in der Schule, so dass ich allein klarkommen muss.

Es könnte an dem Handy meines Sohnes liegen, das vielleicht noch mit der Box verbunden ist. Ich bringe es nach oben in sein Zimmer, ohne zu wissen, ob das hilft. Als ich es wieder probiere, funktioniert es noch immer nicht. An- und Ausschalten von Box und Bluetooth zeigen erst nach mehrmaligen Versuchen Erfolg. Währenddessen könnte ich eine Sozialstudie am lebenden Objekt durchführen: Wie stabil ist das Gefühl der Freude, wenn etwas nicht so läuft, wie es soll? Denn bis mir mein Vorhaben endlich gelingt, erlebe ich heftigen aufbrausenden Ärger. Er ist mir erschreckend vertraut – ich kenne mich schon ein bisschen – und vollkommen unverhältnismäßig. So schnell und intensiv, wie ich ihn erlebe, wird er wieder verschwinden. Dennoch frustriert er mich: nicht die beste Einstimmung auf eine Predigt über Freude – oder?

Freude können wir nicht selbst produzieren, sagt Timothy Keller, und ich denke: Ja, ich weiß. Sie ist komplett unabhängig von unseren Umständen, und wir können sie uns nur schenken lassen. Wie so vieles andere funktioniert das bei Gott über unsere Beziehung zu ihm. Eine seiner Eigenschaften ist Freude. Je näher ich ihm bin, je mehr Zeit ich mit ihm verbringe, je besser ich ihn kennenlerne – umso stärker wird sein Wesen auf mich abfärben. Ich bin schon sehr lange mit Gott unterwegs, aber noch immer weit entfernt von `vollkommener´ Freude, wie es an anderer Stelle heißt. Das ist schade, aber kein Grund, entmutigt zu sein. Wie sagt Dietrich Bonhoeffer es so schön: „Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken.“ Immer wieder!

Von der Freude

„Die Freude an Gott ist eure Stärke.“
Nehemia 8, 10

Was genau ist das – die Freude an Gott? Gott zeigt sich uns unter anderem in dem, was er uns schenkt. Darin nehmen wir ihn besonders deutlich wahr: Freunde, positive Lebensumstände, Gelingen, Kraft, Zufriedenheit und so weiter. Leicht hängt unsere Stimmung oft von diesen Gaben ab – dabei sind sie sehr vergänglich. Gott selbst hingegen ist unveränderlich und treu, die einzig wirklich feste Größe in unserem Leben. Er liebt uns auch, wenn nicht alles so läuft, wie wir es uns wünschen würden. Die Freude darüber könnte daher ebenso stabil und unerschütterlich sein: eine starke Konstanz inmitten unseres wechselhaften und unvollkommenen Lebens. Wir müssen nur lernen, den Schöpfer nicht mit den Gaben zu verwechseln.

Geteilte Freude ist besondere Freude

Mein Sohn in Sambia hat sein Weihnachtspäckchen erhalten – und sich besonders über die sechs Haribo-Tüten gefreut. Er liebt Gummibärchen und bekommt diese dort nicht. Er werde sie sich gut einteilen, sagt er, und die eine oder andere Tüte verschenken. „Über solche Mitbringsel freuen sich die Langzeitmitarbeiter hier besonders“, sagt er. Ich bin so stolz auf ihn!

Nochmal Synchronspringen

Die deutschen Synchronspringer gewinnen Bronze und freuen sich unbändig. Der Jubel nach diesem Erfolg will raus in Bewegung oder Geschrei. Nur kurz umarmen sie sich; in einem solchen Moment verharrt man ungern still in den Armen eines anderen – und sei es auch der Trainingspartner. Die eigene Freude ist riesengroß und lässt sich gut allein aushalten.

In meinen Gedanken sehe ich die traurigen Russen nach ihrem gescheiterten Sprung. Sie umarmen sich nicht; dabei bräuchten sie in einem solchen Moment die Arme eines anderen – am besten die des Trainingspartners. Die eigene Trauer ist riesengroß und lässt sich kaum allein aushalten.

Ein Grund zur Freude

Ich liebe meinen Mann. Klar, sonst hätte ich ihn nicht geheiratet. Und doch ist eine Ehe ein bisschen wie „die Katze im Sack kaufen“. Man redet vor der Hochzeit über eine ganze Menge – und über noch viel mehr wahrscheinlich nicht. Zumindest wir lernten uns erst während der Ehe besser kennen. Unterschiedliche Ansichten und Gepflogenheiten sind seither Anlass zur Freude, Ergänzung oder auch Herausforderung. 

Mein Mann ist handwerklich weder ungeschickt noch unwillig – als Besitzer von Haus und Garten ist das super. Aber er ist nicht der Typ mit der „Axt im Haus, die den Zimmermann erspart“. Und das ist auch super! Wenn es samstags in unserer Siedlung hämmert, sägt, flext oder die Hochdruck-Reiniger um die Wette spritzen, freue ich mich. Denn: Ich bin kein Fan von (meist lautem) Männerspielzeug – und mein Mann glücklicherweise auch nicht.

Kein Dauerzustand

Große Trauer erschüttert uns, große Freude genauso. Und obwohl unerwartete Todesfälle oder die Geburt eines Kindes uns lebenslang prägen, besteht die große Herausforderung darin, uns von derart emotionsgeladenen Ereignissen nicht definieren zu lassen. Weder große Trauer noch überwältigende Freude haben langfristig die Herrschaft über unsere Persönlichkeit – auch wenn die mit ihnen verbundenen Gefühle uns nie ganz verlassen werden. Menschen, die tiefes Leid erfahren, dürfen darin nicht verharren – sonst verzweifeln sie und werden bitter. Und auch große Glücksgefühle verlieren mit der Zeit ihren Zauber und werden überlagert von mehr oder weniger banalen Erfahrungen: Das Leben spielt sich ab in den Niederungen des ganz gewöhnlichen Alltags. Wie wir dort gleichermaßen ernsthaft und lebensfroh bleiben können – darin zeigt sich, wer wir sind.