Manche Frauen lassen sich ungern die Tür aufhalten – sie sind unabhängig und selbstständig in der Lage, allein die Tür zu öffnen. Dabei geht es bei Umgangsformen weniger darum, wer etwas nicht selbst tun kann, als um ein höfliches und geschmeidiges Miteinander. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Mann mir die Tür öffnet, selbst wenn ich es selbst machen könnte. Manchmal tue ich es ja auch für andere: ältere Leute, Mütter mit Kinderwagen oder Menschen, die die Hände voll haben. Sie könnten die Tür genauso gut selbst öffnen, aber vielleicht freuen sie sich darüber, wenn sie es diesmal nicht müssen. Indem ich helfe, zweifle ich nicht daran, dass der andere allein und unabhängig von mir klarkommt: Ich bin einfach nur freundlich – genau wie Tür öffnende Männer.
Emanzipiert?
Die Tochter eines Freundes möchte gern etwas studieren, was man getrost als nicht systemrelevant oder sogar brotlos bezeichnen kann. Mein Freund findet das nicht nur super; er denkt fünf Jahre weiter: „Weißt du, Dagmar, mein Herz schlägt für Emanzipation. Und daher wünsche ich meiner Tochter, dass sie auf eigenen Füßen stehen kann.“
Ich kann ihn verstehen – und doch geht mir zweierlei durch den Kopf: Zum einen sind doch Leidenschaft und Begabung mit das Wichtigste bei der Berufswahl. Zum anderen störe ich mich daran, dass mit den eigenen Füßen vor allem (oder ausschließlich) die Finanzen gemeint sind. Dabei lebt man erst dann wahrhaft `selbst-ständig´, wenn man sich auch geistig und emotional emanzipiert, also von anderen löst. Diese Unabhängigkeit ist vielleicht schwerer zu erreichen als ein eigener Job und lässt sich von außen schlechter erkennen. Für die persönliche Zufriedenheit ist sie aber sicher entscheidender.