Sinusfunktion

Donnerstags mache ich meinen wöchentlichen Großeinkauf. An zwei anderen Tagen der Woche kaufe ich „Kleinigkeiten“ nach – die wahrscheinlich ausreichen würden, eine Kleinfamilie satt zu machen. Daher ist unser Kühlschrank mittwochs ziemlich leer und donnerstags gut gefüllt. Damit einhergehend verändert sich unser Essverhalten wie eine Sinusfunktion – von „aus dem Vollen schöpfen“ zu „Hauptsache essbar“ und zurück.

Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass die Kurve nie abreißt: Die Menge der Einkäufe passt zur Anzahl der Essenden (aufgrund von Corona sehr statisch) und zu deren Nahrungsbedarf im Verlauf einer Woche. Zur Bewältigung spontan auftretenden großen Hungers können wir zurückgreifen auf haltbare Vorräte im Keller oder wir backen einen Kuchen. Weil ich uns kenne und gut plane, stehen wir nur selten „ohne Essbares“ da. Wie gut! Nun ja …: Die Kinder hätten ab und zu nichts gegen eine aus dem Ruder laufende Sinusfunktion. Sie würden diese sehr gern ausgleichen – durch Ausflüge in einschlägige Fast-Food-Restaurants.

Warten im Supermarkt

Letztens habe ich viel eingekauft. Die Kasse war leer, ich konnte gleich alles aufs Band legen. Die Kunden nach mir – ein älteres Ehepaar im Rentenalter – riefen umgehend nach einer zweiten Kasse. Es dauerte ein bisschen. Eine zweite Kassiererin kam nicht so schnell wie von den Kunden gewünscht. „Welche Kasse öffnen Sie denn?“, in der Frage schwang einiges mit: Eile, Hektik, Ungeduld.

Ich kann es verstehen, ein bisschen: Auch für mich gibt es Schöneres als einzukaufen. Ich lese lieber ein Buch oder gehe eine Runde joggen. Andererseits ist das Einkaufen von Lebensmitteln keine Strafe, sondern ein Privileg: Es gibt ALLES! Das Endergebnis ist wunderbar, denn ich hole nach Hause, was uns schmeckt und satt macht. Wahrscheinlich ist es gar nicht das Einkaufen selbst, was die Leute schnell hinter sich bringen wollen. Die Eile kommt erst in dem Moment, in dem es ans Warten geht. Warten an der Käse- oder Fleischtheke, warten an der Kasse.

Ich möchte diese Wartezeit an sich nicht als „verbrannte Lebenszeit“ verstehen. Manchmal rede ich mit einer Verkäuferin, einer anderen Kundin oder der Frau an der Kasse. In aller Ruhe – ich hatte schon sehr freundliche Begegnungen mit Menschen, die dort arbeiten oder selbst einkaufen. Es ist nicht schlimm, dass wir uns treffen; es kann sogar schön sein. Und selbst wenn ich nur warte, empfinde ich die Zeit nicht als verloren. Ich erlebe sie als einen Moment des Innehaltens. Das bekommt mir besser, als wenn ich der Ungeduld in mir Raum gebe.

Ich schätze, ich brauche kaum länger fürs Einkaufen als diejenigen, die schnell nach einer zweiten Kasse rufen. Letztlich ist es mir egal: Einkaufen und das damit verbundene Warten gehören zu meinem Leben dazu – wie lesen und joggen.