Hat Ehrlichkeit Grenzen?

Wie ehrlich sollen Menschen mir gegenüber sein? Was will ich wissen, was lieber nicht?

Noch vor einigen Jahren hätte ich – ganz klar – gesagt: Ehrlichkeit ist IMMER besser als Unehrlichkeit oder zurückhaltendes Schweigen. Der Ton ist wichtig, aber (ehrlich gesagt) vielleicht doch zweitrangig.

Mittlerweile bin ich nicht mehr so sicher. Wenn ich meinem Mann einen Gefallen tue, bin ich enttäuscht, wenn er mir – ganz ehrlich – sagt, dass ihm dieser nicht viel oder nichts bedeutet. Dass meine Kinder (ehrlich gesagt) auch ohne meine Hilfe, meinen Rat und meine Anteilnahme sehr gut leben und handeln können, stimmt mich – neben allem Stolz – auch ein wenig traurig.

Wäre es besser, mich zunehmend mit der Wahrheit zu verschonen, um mir meinen Frieden oder die Illusion eigener Bedeutsamkeit zu lassen? Wenn hinter meinem Rücken gesagt würde: „Ach, mit der kann man nicht offen und ehrlich reden.“ – Wäre mir das lieber? Ich bezweifle es.

Wenn ich ehrlich bin: Die Ehrlichkeit und ich, wir haben ein ambivalentes Verhältnis.

Was noch bleibt…

Dankbarkeit macht großzügig,
Großzügigkeit macht dankbar,
Ehrlichkeit – ohne Liebe – verletzt,
Ehrlichkeit – mit Liebe – klärt Beziehungen,
Hilfsbereitschaft freut,
Gastfreundschaft entspannt,
Vertrauen macht mutig,
Misstrauen zersetzt,
Neid vergiftet,
Gelassenheit entspannt,
Spontaneität ist einladend (manchmal auch anstrengend),
Zufriedenheit lässt staunen,
Kompetenz beruhigt,
Arroganz nervt,
Hochmut verärgert,
Disziplin macht erfolgreich (und manchmal hart),
Fragen erweitern den Horizont.