Ein Vortrag

Meine Tochter hat ihr Praktikum versäumt und muss stattdessen einen Vortrag halten, nein: eine Präsentation erstellen. Das Thema ist sehr allgemein gehalten – Landwirtschaft, besonders Milchverarbeitung. Meine Tochter hat keine Lust dazu und ist hinsichtlich des Ergebnisses frei von jeglicher Ambition. Ich kann sie verstehen und trotzdem passiert es: Ihr Auftrag wird zu meinem Anliegen. Während einer Laufrunde grenze ich das Thema gedanklich ein und überlege mir ein paar Fakten, die sowohl interessant sind als auch hängenbleiben könnten.

Weniger Information ist in diesem Fall mehr – welcher 17-Jährige interessiert sich schon für Landwirtschaft? An einer knackigen Frage zum Einstieg tüftele ich noch herum, als ich meinen Lauf beende. Ich schreibe mir einige Gedanken sofort auf und schnappe mir meinen Rechner. Drei Google-Ergebnisse später habe ich genügend Stoff zusammen, um einer Schulklasse eine Stunde lang etwas über Landwirtschaft im allgemeinen und Milchvieh-Betriebe im besonderen zu erzählen. Alles viel zu viel, ich weiß; außerdem muss ICH gar keinen Vortrag halten – auch das weiß ich. Egal: Ich staune, wie einfach es heute ist! Für dieselben Informationen hätte ich als 17-Jährige in eine gut ausgestattete Bibliothek gehen oder einen gesprächigen Bauern interviewen müssen – beides deutlich aufwendiger als ein paar Mausklicks.

Wahrscheinlich lässt sich meine Tochter nicht anstecken von meiner Begeisterung. Umsonst war mein Ausflug ins Internet trotzdem nicht, denn ICH weiß unter anderem wieder: Bauern stehen ständig in der Kritik, die Böden auszubeuten, den Grundwasserspiegel abzusenken oder ihre Tiere nicht artgerecht zu halten. Außerdem arbeiten sie sehr viel und verdienen vergleichsweise wenig: Zum Beispiel bekommen die Bauern nur die Hälfte des Milchpreises, den ich im Laden zahle – und können damit nicht wirklich ihre Produktionskosten decken. Viele Milchbauern haben deswegen in den letzten fünf Jahren dichtgemacht. Es wäre aus meiner Sicht ein interessantes Vortragsthema, was die anderen motiviert, weiterzumachen.

Trecker-Demo

Letztens fuhren lauter Trecker durch unsere Stadt – auf dem Weg zu einer Demo nach Hannover. Ich blieb mit meinem Rad an einer Ecke stehen und schaute ihnen zu. „Sorry, ich wäre jetzt auch lieber zu Hause“, las ich am Heck eines Treckers und musste lächeln: Die hinter der Kolonne schleichenden Autofahrer sahen nur teilweise verständnisvoll aus.

Ihre Arbeit ist für die meisten der Bauern eher ein Lebenskonzept als ein Job. Als Lohn bekommen sie – auf die Stunden gerechnet – nicht besonders viel Geld, dafür aber umso mehr Menge Kritik von allen Seiten. Landwirte demonstrieren nicht für geregelte Arbeitszeiten oder mehr Urlaub, Weihnachtsgeld oder sonstige Dinge, die andere Berufsgruppen gern verändert hätten. Sie wünschen sich angemessenere Preise für die Produkte, die sie produzieren, und eine Gesellschaft, die ihnen nicht nur Verachtung entgegenbringt, sondern Wertschätzung. Denn: Bauern pflegen unsere Kulturlandschaft und produzieren Dinge, die wir wirklich zum Leben brauchen. Aber das artikulieren wir nicht. Stattdessen schimpfen wir, sie würden die Natur verschandeln und das Grundwasser verpesten – und zeigen durch unser Einkaufsverhalten, dass wir nicht viel für sie übrig haben.

Auch ich kaufe nicht nicht nur regionale Produkte, schon gar nicht ausschließlich „Bio“. Aber ehrlich gesagt: Ich würde gern die hiesigen Landwirte unterstützen – wenn ich nur wüsste, wie das abgesehen von Einkäufen in Hofläden noch aussehen könnte. An der Straße stehen und winken, wenn hunderte Trecker zur Demo nach Hannover fahren, reicht nicht.