Aufschieberitis und ihre Folgen

Eine meiner Töchter verschiebt Schul-Aufgaben gern nach hinten, wenn sie andere wichtige Dinge zu tun hat – also eigentlich fast immer. Am Ende gerät sie dann regelmäßig unter Zeitdruck und muss last minute alles geben. In Sachen Zeitmanagement besteht noch Luft nach oben. Ich als Mutter weiß, dass sie daran wahrscheinlich nur dann etwas ändert, wenn es zu unbequem wird: wenn sie merkt, dass sich die Suppe nur schwer auslöffeln lässt, die sie sich eingebrockt hat. Von daher wäre es aus erzieherischer Sicht konsequenter, meine Tochter mit den Folgen ihres Handelns allein zu lassen.

Dennoch gab es unlängst wieder einen Fall, bei dem ich unterstützend zum Löffel gegriffen habe – sozusagen: Ich half ihr beim Korrekturlesen ihrer Facharbeit, nur Stunden vor der fälligen Abgabe. Pädagogisch war das vielleicht unklug, auf der Beziehungsebene meinem Empfinden nach weise. Manchmal bin ich als Mutter lieber barmherzig als belehrend – wissend, dass eine andere wichtige Lektion fürs Leben dadurch besser hängenbleibt: Zugewandte Gnade ist eine liebevolle Alternative zu distanzierter Konsequenz – und wahrscheinlich oft eindrücklicher.

Aufschieberitis

Ich kenne eine, die leidet an Aufschieberitis. Das heißt: Sie leidet nicht wirklich daran – im Gegenteil: Meist tänzelt sie ganz fröhlich und entspannt durchs Leben. Jedenfalls über lange Zeiträume hinweg. Dazwischen geschaltet sind Tage oder manchmal auch Wochen, in denen sie abarbeiten muss, was sich angestaut hat. Hektisch, schnell und unter dem Druck einer einzuhaltenden Frist. In dieser Zeit geht nicht viel anderes, ist sie leicht frustriert und kann dann ihre Aufgaben nicht besonders zufriedenstellend erledigen – es fehlt die Ruhe.

Mich würde das wahnsinnig machen und mir die Tänzel-Zeit dazwischen vermiesen. Ich könnte die langen Phasen der Entspannung nicht als solche erleben, ich würde leiden an meiner eigenen Aufschieberitis. Das ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass ich eher ein Vorschuss-Arbeiter bin. Für Leute wie mich gibt es kaum längere Pausen – es gibt immer etwas zu tun.

Ich denke, dass keiner aus seiner Haut kann; aber manchmal beneide ich die Frau mit der Aufschieberitis. Sie wirkt sorglos und zwischendurch echt unbeschwert.

Wenn ich aussuchen würde, wäre ich gern eine Kombination: Ein bisschen von beidem. Es ist eine Gabe, Dinge liegen zu lassen, die nicht drängen. Meine fünf Kinder haben mich schon ein wenig gelassener (und langsamer) gemacht, dafür bin ich dankbar. Aber ein echter Aufschieber bin ich noch immer nicht.