Geteilter Ärger

Im Garten beim Zurückschneiden und Häckseln; die Sonne scheint. Wir kommen gut voran, quatschen ein bisschen, scherzen und nähern uns dem Ende. Als vorletzten Busch für heute stutzt mein Mann eine Korkenzieher-Hasel – großzügig, denn wir hatten sie jahrelang wachsen lassen. Die verdrehten Äste lassen sich nicht gut häckseln und wir kommen gar nicht mehr gut voran. Mein jüngster Sohn und ich häckseln jetzt schweigend und ernst vor uns hin, dann hilft auch mein Mann.

Es ist eine mühselige Angelegenheit, immer mal wieder unterbrochen davon, dass der eine oder andere sich kurz abwendet: Ausdruck mühevoll unterdrückten Frusts. Zwischendurch würde ich am liebsten jemanden anschreien oder alles kurz und klein schlagen. Aber ich tue es nicht, denn niemand und nichts ist schuld an der Misere. Also beiße ich mich durch, genau wie Mann und Sohn.

Ich staune mal wieder, wie viel Ärger in mir steckt: in diesem Fall nur, weil eine Arbeit nicht geschmeidig vorangeht. Es ist gut, diesem Ärger keinen Raum und dadurch auch keine Macht über mich zu geben – und es fällt mir viel leichter, weil wir zu dritt hier stehen. Irgendwann sind wir fertig, denn auch unangenehme Tätigkeiten sind am Ende nur eine Frage von Zeit, Fleiß und Geduld.

Ärgerlich

Wenn ich mich ärgere, sind meist die Umstände oder meine Mitmenschen dafür verantwortlich – beides liegt erstmal nicht in meiner Hand. Es ist keine Lösung, einfach abzuwarten: Von selbst ändern sich weder das Drumherum noch die für mich ärgerlichen Reaktionen (oder Aktionen) der Leute um mich herum. Stattdessen könnte ich Missstände zur Sprache bringen und versuchen, andere zu einem mir wohlgefälligeren Verhalten zu motivieren. Ob das gelingt, liegt allerdings ebenfalls nicht in meiner Hand. Mehr Aussicht auf Erfolg hätte es daher, wenn ich mich – wie auch immer – weniger ärgern würde. Zwar liegt das vollkommen in meiner Hand, ist aber trotzdem sehr schwer.

Manchmal ärgere ich mich auch über mein eigenes Verhalten – ein Umstand, der durchaus in meiner Hand liegt. Aber, wie gesagt: Bedauerlicherweise ist das sehr schwer. Viel leichter ist es, andere(s) für unseren Ärger verantwortlich zu machen … 

Schleierhaft oder sonnenklar?

Wenn meinen Mann etwas ärgert, kann er (fast immer) trotzdem gelassen agieren und reagieren – als wäre er unbeteiligt. Für ihn haben Ursache und Wirkung zwar miteinander zu tun, liegen aber nicht nahe beieinander. Wie er das schafft, ist mir schleierhaft!

Wenn mich etwas ärgert, agiere und reagiere ich selten gelassen, sondern meist verärgert – ich bin mitten drin. Ursache und Wirkung liegen nahe beieinander. Ich kann beide erst nach einer Weile voneinander trennen. Was ich dafür tun kann, ist mir sonnenklar: Ich laufe eine Runde.

Zwischen nicht mehr und noch nicht

Beim Wäschewaschen letztens fand ich in der Wäschekiste ein T-Shirt, das ich einen Tag zuvor erst gebügelt hatte. Es war noch nicht wieder zerknittert, offensichtlich ungetragen. Der Besitzer des Kleidungsstückes war zu Hause und bekam Teile meines Ärgers zu spüren. Die Reaktion? Ein lapidares: „Oh, tut mir leid, ich habe es mit einem anderen T-Shirt verwechselt.“

Direkt danach musste ich aus dem Haus – war aber nicht wirklich besänftigt. Die Ignoranz, die aus der Aktion sprach, hat mich SEHR geärgert. Und dieser Ärger hat mir den halben Morgen über Rückenwind gegeben: Voller Elan auf dem Rad, voller Schwung bei Pilates. Gesprächig und auf der Suche nach einem Ventil erwähnte ich mein Erlebnis gegenüber meinen Turn-Mitstreiterinnen. „Ich finde auch öfter zusammengelegte Klamotten in der Wäsche“, bekannte eine Frau, ebenso Mutter von halberwachsenen Kindern wie ich. Es ist normal, ich bin nicht allein – aber ich finde es trotzdem unfassbar.

„Das wäre mir nie passiert“, denke ich – oder habe ich nur vergessen, wie es einem Menschen geht, der nicht mehr ganz Kind und noch nicht ganz erwachsen ist?