Modalverben: müssen – sollen – können – möchten – dürfen

Meine Töchter bearbeiten am Wochenende Aufgaben für die Schule, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Beide müssen recherchieren, strukturieren und am Ende Texte formulieren. Ich soll ihnen helfen.

Vom Thema habe ich zunächst wenig Ahnung – es geht bei beiden um Kunst im weitesten Sinne. Für meine Töchter ist zwar die Aufgabenstellung klar, aber auch sie müssen sich schlau lesen. Ich stelle fest, dass mein Alter (und mein größeres Allgemeinwissen) mich zu einem durchaus kompetenten Ansprechpartner machen. Grundsätzlich kann ich ihnen helfen.

Da sie mich vor allem für die klaren und verständlichen Formulierungen brauchen, hänge ich sofort an der Angel wie ein wehrloser Fisch: Sobald es um Texte geht, bin ich automatisch interessiert. Jetzt möchte ich ihnen helfen.

Zunächst halte ich mich zurück und lasse meine Töchter selbst machen. Schließlich soll das Ergebnis aus ihrer Feder kommen – sozusagen. Im Verlauf des Wochenendes bitten sie vermehrt um Korrektur beziehungsweise Hilfe bei der Wortwahl. Je näher der Sonntagabend rückt, umso mehr darf ich ihnen helfen.

Was man so braucht … 

Ich staune, als einer unserer Nachbarn mit seiner eigenen Rüttelplatte den Untergrund fürs Pflaster hinter seiner Garage vorbereitet. Was er noch alles besitze, frage ich ihn. „Was man so braucht“, antwortet er, als wäre es vollkommen logisch, mit allem möglichen Gerät ausgestattet zu sein. Denn seine Rasenkantensteine zersägt derselbe Nachbar mit seiner eigenen Tisch-Kreissäge; und zum Beton-Anmischen benutzt er (s)einen Betonmischer. Selbstverständlich gehören auch ein Freischneider und ein Nivelliergerät zu seinem Sortiment – unter anderem. 

Ich stelle fest: Was er so braucht und was ich so brauche, sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge. Was man so braucht, ist keineswegs vollkommen logisch, sondern ein weites Feld. 

Solche Tiere und andere

Von `meinem´ Jäger weiß ich, dass auch er auf Tierschutz achten muss: Zum Beispiel sind Waschbären und Nutrias in unserer Gegend eine Plage. Ihr Bestand wird daher dezimiert – nach genauen gesetzlichen Vorgaben. Man benutzt Lebendfallen, damit kein schützenswertes Tier getötet wird. Aus Versehen gefangene Füchse zum Beispiel werden wieder freigelassen. So weit so gut. Geht aber ein Waschbär in die Falle, ist sein Schicksal besiegelt: Er wird erschossen. Damit der Waschbär `möglichst keinen Stress hat´ (bevor er erschossen wird), dunkelt man die Falle ab.

Ich denke an das Leben und Sterben anderer Tiere: Aufgrund unseres hohen Fleischkonsums leben in Deutschland viele Nutztiere – nicht nur unter optimalen Umständen. In Schlachthöfen sterben sie buchstäblich am Fließband. Um eine stressarme Betäubung und Tötung selbst kümmern sich ganze Forschergruppen – vor allem wegen der Fleischqualität. Wie aber sieht es drumherum aus? Das Leben in einem Mastbetrieb, der Abtransport auf engen Lastern (platzsparend zusammengepfercht) und das eilige Entladen am Schlachthof: Ich bezweifle, dass sich das für Schweine oder Rinder stressfrei anfühlt.

Es ist super, sich um das Tierwohl zu bemühen – und einheitliche Vorgaben dafür zu schaffen. Mir wären allerdings die vielen Nutztiere wichtiger als die wenigen Waschbären, wenn es um stressfreie letzte Minuten vor dem Tod geht.

Beruf(ung)

Wenn mich jemand nach meiner beruflichen Entwicklung fragt, antworte ich normalerweise so: Ich habe ein abgeschlossenes Studium und eine Ausbildung; in beiden Berufen war ich nicht erwähnenswert tätig. Mit der Geburt des ersten Kindes wurde ich Hausfrau und Mutter, seit sieben Jahren arbeite ich – ein GANZ KLEINES BISSCHEN – nebenbei.

Ein Vortrag über eine Neu-Orientierung verändert meine Perspektive: erst ein Studium, dann eine Ausbildung und danach fünf Kinder. Anstatt Berufserfahrung zu sammeln, kümmerte ich mich freiwillig und sehr gern um unsere Kinder – eine wunderbare Lebensschule. Seit diese Berufung sukzessive das Haus verlässt, nutze ich Zeit, Kraft und meine Gaben für das, was mir noch so wichtig ist: ehrenamtlich oder professionell. So kann man das auch sehen!

Keine beste Freundin

Meine Tochter hat einige Freundinnen, die sich untereinander nicht kennen. Es sind nicht viele, nur zwei oder drei. „Früher hatte ich alle paar Monate eine andere beste Freundin; heute habe ich gleichzeitig mehrere gute Freundinnen für verschiedene Anlässe“, sagt sie.

Mit einer Freundin spielt sie Fußball und pflegt die Sozialkontakte, die damit einhergehen.
Eine weitere Freundin ist Kummerkasten und Ratgeber in einer Person: Sie kann wunderbar zuhören und ist lebenserprobt – sie weiß, dass selten `alles bestens´ läuft.
Leider nicht am Ort wohnt die Freundin, mit der meine Tochter beten und über geistliche Wahrheiten sprechen kann – gern auch fernmündlich.

„Eine beste Freundin reicht mir vielleicht nicht“, findet meine Tochter, „weil nur ein Mensch nicht alles bedienen kann, was ich mir an Gemeinschaft wünsche. Gut dass ich auch keine beste Freundin sein muss!“ Schlaues (kein) Kind (mehr).

Kann man so machen

Elternzeit ist gedacht als eine Zeit, in der Väter oder Mütter sich ganz dem Elternsein widmen – obwohl sie eigentlich arbeiten müssten. Der Job ruht für eine Weile. Mutter oder Vater können sich in Ruhe an ihre Rollen und den neuen Lebensrhythmus gewöhnen.

Unsere Kinder kamen vor diesem Modell zur Welt; wir mussten uns sozusagen berufsbegleitend mit dem jeweils neuen Kind vertraut machen. Das war in Ordnung – wenn man nichts anderes kennt, ist eine ganze Menge in Ordnung: Ich war zu Hause, mein Mann ging zur Arbeit. Daher weiß ich nicht, wie genau wir eine extra Elternzeit gestaltet hätten. Wahrscheinlich hätten wir währenddessen einfach einen Gang runter geschaltet und uns gemeinsam an den veränderten Alltag mit Baby oder Kleinkind gewöhnt.

Junge Eltern in unserer Nachbarschaft nutzen die Elternzeit des Vaters für eine ausgedehnte Urlaubsreise nach Asien. Ich kann mir vorstellen, dass sie sich danach wieder an den Lebensrhythmus zu Hause gewöhnen müssen. Kann man so machen.

Eine besondere Hose

Der freundliche Hund einer Bekannten begrüßt mich dieses Mal noch überschwänglicher als sonst – die Leine fehlt. Glücklich springt der Kleine an mir hoch und hinterlässt mit seinen Pfoten feucht-schmutzige Flecken auf meiner Hose. Nun ist es eh zu spät, denke ich, streichle den Hund und rede ein bisschen mit Frauchen. Dann gehe ich weiter.

Am Ende meines Spaziergangs sind die feucht-schmutzigen Flecken getrocknet und kaum noch zu sehen. Innerlich verneige ich mich vor denjenigen, die diese Hose erfunden haben: robust, alltagskompatibel, schmutzresistent, schick oder praktisch … Die Blue-Jeans ist ein ganz besonderes Allerweltskleidungsstück – jetzt weiß ich wieder, warum.

Aufgeben oder dranbleiben

Ab und zu treffe ich einen Jäger, der in Wald und Feld für Ordnung sorgt: Wir sprechen jedesmal miteinander; und ich bekomme einen interessanten Einblick in etwas, wovon ich sonst keine Ahnung hätte. Ein Jäger jagt mit dem Gewehr, schießt Fotos zur Dokumentation, kontrolliert Fallen, … kümmert sich um die Ausbildung von Hunden anderer Jäger.

Jagdhunde müssen zum Beispiel das Apportieren üben – natürlich mit echten Tieren. Die Enten werden eigens dafür gezogen und dann an einem Gewässer ausgesetzt. Dort schießt der Jäger das Tier und versucht, den Hund dazu zu bringen, den toten Vogel zu apportieren. (Kann die Ente entkommen, hat sie Glück – wie bei der echten Jagd auch.) Die Anzahl der Übungsversuche ist begrenzt; dann muss der Hund zur Prüfung.

Heute Morgen wurde ich Zeugin einer solchen Übungsstunde. Die Ente war offenbar erschossen, der Hund im Wasser. Nur kam er nicht wieder heraus – geschweige denn mit Ente im Maul. Der Besitzer des Hundes war SEHR ärgerlich, seine Stimme wütend. Hektisch und gleichzeitig ohnmächtig ging er am Wasserrand auf und ab, winkte irgendwann ab und gab auf. Nicht so `mein´ Jäger: Gelassen und geduldig stand er da, rief den Hund mit klarer Stimme, lockte und ermutigte ihn und blieb dran – bis der Hund aus dem Wasser kam.

Kindererziehung funktioniert genauso, dachte ich. Ja, mancher Versuch geht schief; manche Erziehungsmaßnahme bringt nicht das erhoffte Ergebnis. Die Frage ist, wie man damit umgeht: Ich kann das Scheitern sehen und den Hund (oder das Kind) aufgeben. Oder ich sehe die Beziehung zum Hund (oder zum Kind) und bleibe dran – selbst wenn sich der Moment wie ein Misserfolg anfühlt.

Künstlich schön?

In einer Drogerie sitzt eine sehr junge Frau an der Kasse; an ihren Lidern kleben riesige Wimpern – sehr üppig und sehr schwarz. Sie sehen so wenig passend aus, dass mein Blick Mühe hat, etwas anderes in ihrem Gesicht wahrzunehmen. Als es mir doch gelingt, bin ich erstaunt, wie jung und natürlich sie aussieht. Leider nehme ich das nicht ohne weiteres wahr: Die individuelle Schönheit dieser jungen Dame verschwindet hinter künstlichen 08/15-Wimpern.

Die Größe eines Großen

Das Grab Friedrichs des Großen liegt unauffällig an der Seite des Schlosses Sanssouci. Erst wenn man direkt davor steht, kann man die Inschrift auf der Grabplatte lesen – und sieht, dass hier ein König begraben ist. Wie nebensächlich sieht diese letzte Ruhestätte aus, was wohl genau in Friedrichs Sinne ist: Neben seinen Hunden wollte er begraben werden, möglichst bei Nacht mit kleinstem Gefolge im Schein einer Laterne. Letztlich ist es fast genau so gekommen – allerdings erst 200 Jahre nach seinem Tod und nicht ganz so unbemerkt.

Ich stehe an seinem Grab und bin ein bisschen stolz auf dieses Erbe: Wenn einer der bekanntesten preußischen Könige die Größe hat, auf Pomp und Trara zu verzichten, komme ich gern aus Preußen!