Pünktlich oder was?

Eine meiner Töchter definiert pünktlich mit `auf den letzten Drücker´. Alles davor ist Zeitverschwendung – und reichlich uncool.

Ich erscheine lieber zehn Minuten zu früh am vereinbarten Treffpunkt: „Fünf Minuten vor der Zeit ist des Deutschen Pünktlichkeit.“ 

Seit heute Abend weiß ich, dass ich nicht besonders deutsch bin, sondern eher reichlich betagt: Ein Freund (in meinem Alter) holt zwei Kinder zur Musik-Probe ab – mit wenigen Minuten Puffer zum Quatschen im Flur: „Ihr wisst schon: präsenile Überpünktlichkeit!“

Team-Arbeit: unvollständige Liste

Im Team lastet die Arbeit auf mehreren Schultern.
Im Team entstehen viel mehr Ideen.
Im Team hat man mehr Spaß.
Im Team entwickelt sich eine eigene Dynamik und beflügelt der eine den anderen.
Im Team kann sich der Einzelne ab und an zurücklehnen.
Im Team kann man sich seinen Stärken gemäß einbringen – und die Aufgaben, die einen überfordern, anderen überlassen.

Im Team muss man sehr viel ganz klar kommunizieren, ziemlich oft.

Objektives und subjektives Wetter

`Alarmstufe Heiß´ lautet die Überschrift in einer Zeitung; daran an schließt sich ein kurzer Artikel zum heißesten Juli. Nicht dabei steht, für welchen Zeitraum diese Aussage gilt. Ein kurzer Blick ins Internet ergibt, dass wir in Deutschland seit 1881 systematisch das Wetter – oder zumindest die Temperatur – aufzeichnen. Wir erleben also den heißesten Juli seit gut 140 Jahren, ganz objektiv. Das klingt nach flirrender Hitze über den Feldern und unterm Dach, dem Geruch von frisch gedroschenem Getreide und vertrocknetem Rasen im Garten.

Subjektiv kann ich mich an heißere Sommer erinnern. Vielleicht war die Mitteltemperatur geringer, dafür aber längere Zeit gleichbleibend. Natürlich ist meine Empfindung weniger zuverlässig als konkrete Daten einer Wettererfassungsstelle, deswegen aber ebenso wahr: 2010 zum Beispiel durften meine damals noch jungen Kinder außergewöhnlich lange wach bleiben. Abends um acht war an Schlafen nicht zu denken. Ich ließ die Wäsche über Nacht draußen hängen und genoss den Wein auf der Terrasse erst, als es abends schon fast wieder dunkel wurde. Dieser Sommer dagegen ist verregnet, im Wettersprech: sehr nass. Die Wäsche trocknet draußen gar nicht und drinnen nur langsam; der Rasen wächst grün und üppig und ergibt selbst im Hochsommer eine reiche Mäh-Ernte. Ganz im Gegensatz zum Getreide, das hier in unserer Gegend auf dem Acker vergammelt und einfach nicht trocken werden will.

Das Wetter ist eine komplexe Geschichte; es lässt sich nicht nur mit bloßen Fakten und rein objektiv erfassen. Wissenschaftliche Analysen können helfen, ja; die konkreten Lebensbedingungen ausreichend beschreiben können sie nicht – und wie wir (ganz subjektiv) mit ihnen umgehen glücklicherweise auch nicht.

Vorübergehend alle zu Hause:

mehr Leute, mehr Gespräch und mehr Bewegung
mehr unterschiedliche Bedürfnisse, mehr Kompromiss, ein bisschen mehr Streit
mehr Essen, mehr Wäsche, mehr Dreck und mehr Müll
mehr Leben, mehr Stimmung, mehr Lachen, mehr laut
mehr klare Ansagen, mehr gewohnte Muster, mehr Rückzug

Von allem gibt´s mehr, nur die Tage sind genauso kurz wie vorher.

(Blick-)Kontakt

Hochmütig ist, wer sich für begabter oder schlauer hält als andere – und diese übersieht oder auf sie herabblickt.

Wer demütig ist, hält eher die anderen für begabter oder schlauer – und schaut zu ihnen hinauf.

Fehler machen wir alle, nur geben wir sie ungleich gern zu. Sie passen vor allem bei Hochmütigen nicht ins Selbstbild: Eine Schwäche `darf nicht sein´, wenn man meint, mehr zu wissen und zu können als der Rest der Menschheit. Entsprechend schwer fällt es solchen Menschen, sich zu entschuldigen. Dabei sind das Eingestehen von Fehlern und die Bitte um Verzeihung die beste Voraussetzung, anderen auf Augenhöhe zu begegnen.

Hochmut kommt vor dem Fall, heißt es. Wenn man erst am Boden liegt, sieht man nur noch Dreck. Was gäbe man in solch einem Moment wohl darum, von anderen Menschen gesehen zu werden – egal ob begabt oder schlau.

Haltbarkeit? Spielt (k)eine Rolle!

Für eine Woche hat sich mein Alltagstun halbiert: Zu dritt fällt weniger Wäsche an als zu fünft oder gar zu siebt; bei drei Personen bleibt auch das Haus länger sauber und aufgeräumt. Als Sahnehaube essen wir auch nicht so viel, als wenn all die anderen zu Hause wären. Das spart Zeit – sowohl beim Einkaufen als auch beim Kochen. Alles leichter also? Nicht ganz, denn plötzlich muss ich mir Gedanken um etwas machen, was in den letzten Jahren keine Rolle spielte: Wie lange ist der Fisch haltbar? Essen wir alles auf, bevor etwas schlecht wird? Was passiert mit den Resten?

Innerhalb der nächsten vier, fünf Tage trudeln alle momentan Abwesenden wieder hier ein, dazu kommt noch Besuch, um das zu feiern. Ich werde keine Zeit mehr haben, mir um die Haltbarkeit von Lebensmitteln Gedanken zu machen. Glücklicherweise spielt die dann auch wieder keine Rolle mehr.

Großartig unabhängig

Ab und zu begleite ich eine meiner Töchter auf `ihren´ Pferdehof, um ein wenig teilzuhaben an dem, was sie so leidenschaftlich betreibt. Dort bin ich Gast und habe keine Ahnung; meine Tochter dagegen fühlt sich wie zu Hause und kennt sich aus. Ich erlebe sie als souverän, selbstbewusst und mir überlegen. Sie ist gleichberechtigter Teil eines Teams, in Wort und Tat – Insider eben. Ich dagegen bin zwar willkommen, bleibe aber dennoch außen vor.

Es macht mich stolz, meine Tochter auf eine Art und Weise zu erleben, von der ich wenig weiß. Sie ist meinem Einfluss entwachsen, mehr noch: Ich bewundere, wie selbstsicher sie sich einbringt und wie selbstverständlich zugehörig sie sich dort bewegt. In diesem Kontext ist sie ganz eigenständig kompetent – und wird respektiert und geschätzt. Ich kann weder mit ihr mithalten noch hat sie irgendetwas davon mir zu verdanken. Es ist wunderbar, sie zu erleben und ihr als einem von mir unabhängigen (und fast ein bisschen unbekannten) Menschen zu begegnen. Heranwachsende Kinder sind großartig.

Vorfreude

In ein paar Tagen kommt ein Sohn aus dem Auslandsjahr wieder nach Hause. In seinem Zimmer hatte sich der kleine Bruder breit gemacht, ist jetzt aber praktischerweise unterwegs auf einer Freizeit. Ich möchte es dem Großen schön machen. Dafür werfe ich weg, was stört, räume Besitztümer hin beziehungsweise her, sauge Fußböden und wische Regale aus. Schließlich beziehe ich dem Heimkehrer ein Bett. Nach meinem Einsatz sieht das Zimmer aus, wie er es vor elf Monaten verlassen hatte; währenddessen dachte ich an ihn – zwei Stunden Vorfreude!

Der neueste Schrei

Ich sichte Fotos der letzten 15 bis 20 Jahre. Die Kinder sind farbenfroh gekleidet – man könnte es auch ausgefallen nennen. Fast alles war geschenkt oder von Bekannten geerbt, ich musste nur selten losziehen und Kleidung kaufen. Zehn Jahre später lösen die Schnappschüsse bei meiner Tochter regelmäßig Schnappatmung aus: „Mama, wie hast du uns nur angezogen!“ Wenn sie wüsste, was ich in meiner Kindheit tragen durfte: von oben bis unten in Strick-Optik, als Krönung im Partnerlook mit meiner Puppe!

Meine Kinder verdrängen bei ihrer Kritik leicht, dass sie nur wenige Jahre später selbst zu den abstrusesten Stil-Verirrungen tendierten – freiwillig. Ich weiß inzwischen, dass es kaum etwas kurzlebigeres gibt als ein modisches Outfit: heute angesagt, morgen untragbar und in ein paar Jahren wieder der `neueste Schrei´! Entsprechend betrachte ich die alten Fotos von mir mit einem milden Lächeln.

Luxus

Luxus ist, wenn man im eigenen Bezugssystem mehr als der Durchschnitt besitzt. Sagt zumindest das Internet. Auch ein Eigenheim in Deutschland ist daher ein Luxus – egal, wie gut es in Schuss ist.

Mein Mann bringt gern meine Liebe zu Jacken ins Spiel, wenn es um Luxus geht; ich besitze mindestens acht: jeweils zwei Regen-, Winter- und Softshell-Jacken sowie mehr als eine Fleece-Jacke. Einige habe ich geerbt, aber das spielt keine Rolle. Für meinen Mann ist das ebenso luxuriös wie zwei Fernseher in einem Haushalt, alle zwei Jahre ein neues Handy und eine Mitbewohnerin namens Alexa. Verglichen damit halte ich meine Jacken für normal, aber mein Mann hat das Internet auf seiner Seite: Acht Jacken sind in Deutschland wahrscheinlich genauso überdurchschnittlich wie zwei Fernseher – und damit eben luxuriös. Stufen wie luxuriöser oder gar am luxuriösesten sind nicht vorgesehen: Mehr als der Durchschnitt reicht, um dazuzugehören; wie viel mehr ist nicht entscheidend.