Das ist keine Kulisse für einen Film über Amerikas Westen im frühen 20. Jahrhundert, sondern Realität in Teilen Queenslands, Australien – heute.
Nicht so einfach
Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergeh´n, im Norden ist sie nie zu seh´n. Für Australien (und die gesamte Südhalbkugel) gilt fast dasselbe: Nur Norden und Süden sind vertauscht. Theoretisch ist mir das vollkommen klar. Praktisch brauche ich noch immer eine Weile, mich zu orientieren. Es ist interessant, wie gut wir zu Hause zurechtkommen – und wie schwierig es in der Fremde ist.
Abenteuer Einbruch
Die `Nachbarin´ meiner Freunde hier kommt spontan vorbei; sie hat sich aus ihrem Haus ausgeschlossen. Ob wir wohl kommen, durchs Fenster bei ihr einsteigen und die Tür von innen öffnen könnten. Gut dass ich da bin: Die Leiter vor dem Fenster hat nur drei Stufen, von der obersten aus ist der Fenstersims noch immer ungefähr auf Brusthöhe. Ich springe und schiebe mich umständlich und kopfüber ins Haus – und komme mir vor wie Pippi Langstrumpf. Die beiden Damen, die mir von unten zuschauen, lachen sich kaputt.
Hinterher sitzen wir in der Küche und reden. Die 76-jährige Hausbesitzerin wirkt ganz vergnügt und zufrieden, ist aber fast taub und offensichtlich überfordert: Im Haus herrscht komplette Unordnung; es müsste dringend geputzt und alles von außen und innen gestrichen werden. Der Garten befindet sich in einem ähnlich vernachlässigten Zustand. Nach einer halben Stunde fahren wir wieder nach Hause; ich bewundere, wie einfach und zurückgezogen die Menschen `hier draußen´ leben.
Später sprechen wir darüber, welche Abenteuer mir geboten werden: mein erster Haus-Einbruch – und voraussichtlich auch mein letzter.
Vom Schweigen
„Wenn du nicht auf das hörst, was Menschen zu sagen haben, wirst du irgendwann von Menschen umgeben sein, die nichts zu sagen haben.“ Dieser schlaue Satz ist nicht von mir, kam mir aber heute in den Sinn. Denn ich war mit jemandem unterwegs, der sehr viel (oder zu viel) zu sagen hatte. Nicht nur, dass mir das Zuhören zunehmend schwer fiel; mir verging auch die Lust, mich selbst zu äußern. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ein bisschen gemeinsam zu schweigen.
Wie sagt mein Mann gern und oft zutreffend: Nicht jeder hat die Gabe der wenigen Worte …
Unfassbar
Ein neuer Krieg beherrscht die Schlagzeilen – und er begann nicht am 7. Oktober. Die Ursachen dafür liegen weiter zurück und sind vielschichtiger, als irgendwer noch in Worte fassen kann. Die Meinungen zum Konflikt zwischen Israel und Palästina gehen weit auseinander. Es geht nur an der Oberfläche darum, wer wie unabhängig ist oder wer welches Land mit welchen Methoden besetzt (hat). Zugrunde liegt ein unfassbarer und grundsätzlicher Hass auf die Juden – egal ob der Einzelne überhaupt gläubig ist oder nicht. Dieser ist für mich nicht nachvollziehbar oder gar zu rechtfertigen. Aber selbst wenn ich nicht per se eine tiefe Verbindung zu den Juden (auch in Israel) verspüren würde: Ich kann nicht verstehen, wie man das brutale und willkürliche Vorgehen der Hamas auch nur ansatzweise verstehen und damit relativieren kann.
Einheimisch
In Deutschland wimmelt es von Hasen, Kaninchen und Rehen. Meist springen und laufen sie davon, wenn wir ihren Weg kreuzen. Sie sind einheimisch – ich auch: Selbst wenn ich sie immer nur von hinten oder aus der Ferne sehe, brauche ich kein Foto von ihnen.
Hier wimmelt es von Kängurus; meist hüpfen sie davon, wenn ich ihren Weg kreuze. Sie sind einheimisch – ich nicht: Deshalb freue ich mich, dass mir ein Foto gelingt.
Zum Staunen
Für manche kommt die Milch aus dem Tetrapak und das Fleisch aus der Kühlabteilung im Supermarkt.
Andere lieben ihren Hund abgöttisch, springen aber beim Anblick einer Spinne auf den nächsten Stuhl.
Hier bin ich mit Menschen zusammen, die darüber staunen, welche Vielfalt `die Natur erschaffen´ hat: Tiere und Pflanzen, die wunderbar angepasst sind und sich tarnen können oder hoch spezialisiert sind.
Ich staune ebenso: Gott hat alles erschaffen, sich alles wunderbar ausgedacht, jedem Tier und jeder Pflanze einen Platz und eine Rolle/Aufgabe gegeben. Die Natur ist wunderbar, ja, aber Gott ist ihr Schöpfer.
Kur
Ortswechsel, Kost und Logis vorhanden, eine klare Tagesstruktur sowie Einzel- und Gruppengespräche nach Bedarf, unberührte Natur vor der Haustür, praktische und kreative Möglichkeiten der Betätigung, Zeit für Stille, Gebet und Reflexion …
Ich bin zur Kur – auf eigene Kosten.
Im Garten
Für meine Freunde hier in Australien ist es wichtig, nachhaltig zu leben – auf 43 Hektar Land. 42 Hektar davon lassen sie überwiegend in Ruhe beziehungsweise greifen nur zurückhaltend ein. Viel Handarbeit fließt in das Gelände um Haus und Werkstatt herum, vor allem in den Gemüsegarten. In diesem hocke ich einige Nachmittage, jäte Unkraut, verteile Kompost und mulche anschließend mit Heu. Für zwei etwa zwanzig Meter lange Beete mit Knoblauch benötige ich insgesamt etwa sechs Stunden.
Sicherlich ist der Knoblauch anschließend besonders geschmackvoll und rein Bio sowieso. Der Aufwand ist dennoch immens. So retten wir die Welt wahrscheinlich nicht und bekommen außerdem nicht alle satt, denke ich. Aber meine Freunde (beide über 80) tun eben, wovon sie überzeugt sind und was sie können.
Ich helfe freiwillig und sehr gern: einfach, weil ich (wie vor 31 Jahren auch) hier sein darf. Um mich herum schwirren rot-blaue Sittiche (crimson rosellas), im Wald lachen Kookaburras; die Kängurus kommen erst in der Dämmerung. In Australien macht Gartenarbeit viel mehr Spaß als zu Hause.
Kundenfreundlich
Wahrscheinlich jede Bank in der kleinen Stadt hier in Queensland hat einen Automaten vor der Tür. Aber ich bin unsicher, wie genau ich dort Bargeld abheben kann – und wie viel das kostet. Also gehe ich hinein in eine Bank. Die Frau hinter dem Schalter weiß es auch nicht: „Die Gebühr hängt von Ihrer Bank in Deutschland ab.“ Sie will mir aber trotzdem helfen und kommt mit vor die Tür. Wir tippen uns zusammen durch das Prozedere (inklusive Gebühr-Nachfrage), bis Karte und Geld wieder in meinem Portemonnaie verstaut sind. Wunderbar, wie zuvorkommend, denke ich und bedanke mich. Hier würde ich wieder hingehen; ich bin altmodisch: Automaten mögen bedienerfreundlich sein, aber überzeugt hat mich der kundenfreundliche Mensch!